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Neues Schrifttum
Felix Fabri O. P. Tractatus de civitate Ulmensi. Traktat über die Stadt Ulm. Hg., übersetzt
und kommentiert von Folker Reichert. Konstanz/Eggingen: Edition Isele 2012.
435 S. (Bibliotheca Suevica, Bd. 35).
Ab 1468 lebte und wirkte der aus Zürich gebürtige Felix Fabri bis zu seinem Tod 1502
als Mönch im Ulmer Dominikanerkloster, verfasste erbauliche und historische Schriften
auf Latein und Deutsch, darunter sein Hauptwerk, die „Evagatorium" genannte
Beschreibung seiner beiden Reisen ins Heilige Land, der „umfangreichste und ausführlichste
Reisebericht des Mittelalters überhaupt" (S. 410). Folker Reichert, als Kenner
der mittelalterlichen Reiseliteratur bestens ausgewiesen, plant seit Jahren eine
Neuedition des Evagatoriums. Fabri wollte seinem Pilgerbericht als zwölftes Kapitel
eine Beschreibung Deutschlands, Schwabens und der Stadt Ulm beigeben, doch wuchsen
sich diese Teile zu zwei eigenen Büchern aus. Die Beschreibung Deutschlands und
Schwabens ist unter dem Titel „Descriptio Sueviae" bekannt, die Beschreibung Ulms
ist der im Wesentlichen um 1490 abgeschlossene „Tractatus". Als Cod. 19555 der Stadtbibliothek
Ulm ist das dreibändige Autograph dieser Arbeiten erhalten, aber der dritte
Band (mit Descriptio und Tractatus) kam erst 1933 über den Antiquariatshandel nach
Ulm zurück. Gustav Weesenmeyer, der die bisher maßgebliche lateinische Ausgabe des
Tractatus 1889 vorlegte, konnte die eigenhändige Niederschrift noch nicht benutzen.
Fabris Beschreibung der Stadt Ulm ist eine faszinierende Quelle. Neben dem Historischen
kommen die Beschreibung der Stadtgestalt, die Sozialstruktur und die Verfassung
nicht zu kurz. Eingehend behandelt Fabri die Familien der reichsstädtischen
Oberschicht. Die Patrizier sind für ihn ebenso adelig wie der Landadel. Mit Blick auf
die Anrede der Bürger von Neapel als edel durch Papst Clemens im Corpus Iuris Canonici
hat Fabri keinen Zweifel: „Wenn dem Papst die Genealogien und Stammtafeln
der Ulmer Bürger bekannt wären, würde er sie mit demselben Titel anschreiben, während
der Adel Italiens durch dunkle und ehebrecherische Verbindungen verdorben ist;
denn oft hören wir, dass Bastarde von Italienern ihren Vätern in hohen Amtern nachfolgen
, was bei den Schwaben unter keinen Umständen zugelassen wird, und keine
Ausnahme oder Ermächtigung könnte die Schwaben dazu verleiten, das Regiment eines
Bastards und sei es des Kaisers, zu ertragen" (S. 113). Im sechsten und letzten
Hauptstück beschreibt der observante Dominikaner regeltreue Konvente rund um
Ulm.
Fabris Schrift ist unter anderem für die Erzählforschung ergiebig, da er die Traditionen
von Klöstern, vor allem aber der vornehmen Familien aufgreift und erkennen lässt,
dass es einen lebhaften Diskurs etwa über die Herkunft des Namens der Stadt (S. 33)
oder die Familien-Ursprünge gab (vgl. z.B. S. 153 zu den Ehingern). Bei den Familien-
Uberlieferungen ist die (auch sonst bei Fabri wichtige) Namens-Etymologie von großer
Bedeutung. Seinem Evagatorium mischt der erzählfreudige Bettelmönch ebenfalls
immer wieder unterhaltsame Geschichten bei.
Reicherts Ausgabe ist vorzüglich, soweit man das ohne Vergleich mit der Handschrift
sagen kann. Die Ubersetzung ist ausgesprochen lesbar, die Kommentierung im
Großen und Ganzen gelungen, wobei vor allem der Nachweis der diversen gelehrten
Zitate eine besondere Herausforderung darstellte. Hie und da hätte ich Korrekturen
und Ergänzungen (siehe https://archivalia.hypotheses.org/52963), aber diese fallen
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