http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2015-16/0432
Neues Schrifttum
nicht standesgemäß heiratet. Nach dem Tod ihrer Schwester sucht sie jedoch wieder
die Beziehung zu diesem. Und obwohl sie sich sehr wohl bewusst darüber ist, dass sie
und ihr Mann in Sigmaringen immer im Fokus der Öffentlichkeit stehen (S. 335), verlangt
sie (ohne Erfolg) von ihm absolute Zuwendung ihr gegenüber. Dann lobt sie ihn
wieder und ist mit ihm einer Meinung, wenn es um den Gehorsam der Kinder gegenüber
ihren Eltern geht. Ihr Schwanken, auch in ihrer Zuneigung, und das Nicht-Verstehen
-Wollen, dass die Uhren in Sigmaringen langsamer gehen als in Paris, zeigen sich
im Text klar. Am Ende ist sie „in der Liebe weniger anspruchsvoll geworden" (S. 331),
ihr Mann Anton Aloys stirbt in ihren Armen (S. 341) und Amalie schreibt: „Dann widmete
ich die mir verbleibenden Tage dem Glück meiner Kinder und Enkelkinder."
Die sogenannten Memoiren sind weniger Rechtfertigung als eine persönliche Erklärung
. Sie sind spannend zu lesen und aufschlussreich. Darüberhinaus zeigen das Vorwort
von Weber, der sich eher mit der hohenzollerischen Geschichtsinterpretation auseinandersetzt
, und die Einleitung von Egli, die sich eher an der außergewöhnlichen
Persönlichkeit Amalies orientiert, dass der Historienschreibung und der Rezeptionsgeschichte
vor dem Hintergrund der nun öffentlich zugänglichen und authentischen
Lebensgeschichte neue Interpretationsansätze ermöglicht werden.
Hettingen Gabriele Loges
Reinhard Hg: Bedrohte Bildung - bedrohte Nation? Mentalitätsgeschichtliche Studie
zu humanistischen Schulen in Württemberg zwischen Reichsgründung und Weimarer
Republik. Stuttgart: Kohlhammer 2015, 400 S., XII-XXIV, 17 Abb. schw.-weiß
(Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-
Württemberg, Reihe B Forschungen Bd. 203).
Seit seiner Zulassungsarbeit für das Lehramt an Gymnasien (1994) widmet sich Reinhard
Ilg sozial- und mentalitätsgeschichtlichen Verflechtungen von Strukturen und Inhalten
institutionalisierter Bildung im 19./20. Jahrhundert. Im Fokus seiner Tübinger
Dissertation (2012) untersucht er die Frage, inwieweit die humanistische Bildungstradition
im Sinne der Monarchie staatstragend und später durch Forderungen nach Modernisierung
gefährdet und dadurch unkalkulierbare Risiken für Staat und Gesellschaft
in sich tragen würde. Ilg wählte als Untersuchungsobjekte jene sechs prominenten Einrichtungen
aus, die er in einer „Region ohne Kulturkampf" einem systematischen Vergleich
unterzog: die vier niederen evangelisch-theologischen Seminare an den Standorten
Blaubeuren, Maulbronn, Schöntal und Urach sowie die Konviktsgymnasien
Ehingen und Rottweil, beides katholische Bildungsanstalten mit simultanem, öffentlichem
Rechtsstatus.
Als „Pflanzstätten für den württembergischen Theologennachwuchs" werden sie
zunächst in (bebilderten) Kurzportraits vorgestellt (S. 16-31). Aufgrund einer guten
Quellenlage konnten stellvertretend analysiert werden: (Fest-) Reden führender Repräsentanten
, Festkalender der Schulen und Rituale von Schulfesten, Jubiläen des Hauses
Württemberg bzw. der (preußischen) Hohenzollern und nationale Gedenktage vor
dem 1. Weltkrieg (Bsp. Reichsgründung 1871, Sedantag als „Nationalfeiertag") wer-
424
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2015-16/0432