http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2015-16/0440
Neues Schrifttum
Ingrid Bauz, Sigrid Brüggemann, Roland Maier (Hgg.): Die Geheime Staatspolizei in
Württemberg und Hohenzollern. Stuttgart: Schmetterling Verlag 2013, 477 S.
Im Jahr 2009 fanden sich in Stuttgart engagierte Bürger und Vereine zusammen, um das
„Hotel Silber" in der Dorotheenstraße 10 vor dem Abriss zu retten. Bei der Beschäftigung
mit der Geschichte des Gebäudes, in dem ab 1928 auch die Politische Polizei untergebracht
war, sie firmierte ab 1936 unter dem Namen „Geheime Staatspolizei" (Gestapo
), wurde deutlich, wie wenig erforscht die Geschichte der Gestapo im Südwesten
bisher war. Aus dieser Erkenntnis heraus entstand schließlich der in vier Themenblöcke
unterteilte Sammelband über die Institution der Gestapo und ihr unheilvolles Wirken
im deutschen Südwesten.
Unter der Uberschrift „Von der Politischen Polizei zur Gestapo - Brüche und Kontinuitäten
" spannt Ingrid Bauz den Bogen von der Errichtung einer politischen Polizeiabteilung
durch den württembergischen König Friedrich I. über die württembergische
Polizei der Weimarer Republik bis hin zur Gestapo.
Der Prozess der Verschmelzung der Politischen Polizei mit der SS sowie der Zentralisierung
der Landesbehörden gipfelte im Jahr 1936 in der Ernennung Heinrich
Himmlers zum Leiter der deutschen Polizei sowie der Zuordnung des Amts Geheime
Staatspolizei - Staatspolizeileitstelle Stuttgart (Stapoleitstelle) zum Geheimen Staatspolizeiamt
in Berlin.
Vor allem der Abschnitt über die Weimarer Republik leidet unter einer ideologisch
vorbelasteten Sichtweise; so heißt es beispielsweise: „Die Verteidigung der kapitalistischen
Eigentumsverhältnisse war dem Schutz der Republik übergeordnet" (S. 36). Und
die Aussage, dass die NSDAP Mitte der 1920er Jahre in Württemberg eine „tonangebende
Kraft" geworden sei (S. 37), ist zum einen nicht korrekt zitiert und deutet zum
anderen auch nicht auf eine Verwendung der neuesten Forschungsliteratur hin. Tatsächlich
war die NSDAP in Württemberg und mehr noch in Hohenzollern sowohl aufgrund
innerparteilicher Streitigkeiten der Landesorganisationen wie auch der ökonomischen
, sozialstrukturellen und konfessionellen Rahmenbedingungen relativ
schwach, was auch an den Wahlergebnissen bis ins Jahr 1932 ablesbar ist.
Allerdings erleichterte eine weit verbreitete antirepublikanische und antikommunistische
Grundhaltung unter den Polizeibeamten den Nationalsozialisten, den Polizeiapparat
für ihre Zwecke zu nutzen.
Im Zentrum der beiden Themenblöcke „Dienststellen und Haftstätten" und „Arbeitsbereiche
und Verfolgungspraxis" stehen die Beschreibung der Dienststellen, ihres
Personals und der sogenannten „Gegnergruppen", die in verschiedenen Zeiträumen
und unterschiedlicher Intensität „bekämpft" wurden. Dabei fällt die relativ geringe
Zahl an Dienststellen und Personal auf, gemessen am Schrecken, den die Gestapo zu
verbreiten wusste. Ihren Aufgaben, der Schutz der „Volksgemeinschaft" und die Ausschaltung
ihrer „Gegner", konnte sie nur mit Hilfe eines Netzwerks von Parteiorganisationen
und staatlicher Institutionen, aber auch durch ein weit verbreitetes Denunziantentum
erfolgreich nachkommen.
Nach einem kurzer Abriss über die Geschichte und die Nutzung des „Hotel Silber"
während der nationalsozialistischen Ära {Sigrid Brüggemann) gibt Roland Maier einen
Uberblick über die Außendienststellen - zunächst sind das Ulm, Friedrichshafen,
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