Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
51/52(136/137).2015/16
Seite: 441
(PDF, 88 MB)
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Neues Schrifttum

sitz auszudehnen, von grundlegenden Reformen in der Schulpolitik wie etwa der Ausdehnung
der gemeinsamen Grundschulzeit abzusehen.

Für die Not der Nachkriegs jähre im Südwesten rindet sich also in dem Protokollband
reiches Material, ebenso für den zähen administrativen und gesetzgeberischen
Neuaufbau, der gerade in der Kleinräumigkeit und Dürftigkeit dieses Landes besonders
nachdrücklich auf den Leser wirkt. Wer sich ein eigenes Bild von den Mühsalen
des Wiederaufbaus machen will, rindet hier also reichhaltiges Anschauungsmaterial.
Daneben lassen sich aber auch ganz andere Lesefrüchte ernten, etwa Biografisches: zum
Beispiel der Aufstieg Carlo Schmids in eine Politikerlauf bahn in der sich abzeichnenden
Bundesrepublik. Noch eindrücklicher und farbiger leuchtet aus den Sitzungsprotokollen
der überdeutliche politische Ehrgeiz eines Gebhard Müller, dem eine höchst
eigenartige Stellung im Landeskabinett zukommt. Er ist Stellvertreter des Justizministers
Carlo Schmid, mit singulärer Stellung als Ministerialdirektor (was ihn nicht hindert
, eine wohl nicht unpopuläre Sparpolitik als politisches Markenzeichen zu propagieren
), gleichzeitig aber CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzender. Rede-, aber nicht
stimmberechtigt verkündet er in der Kabinettsrunde im Vollgefühl dieser Amterhäu-
fung höchst selbstbewusst zu vielen Themen seine Meinung, häufiger als mancher Minister
. Lorenz Bock wirkt dagegen - zumindest an seinem Amt als Staatspräsident gemessen
- sehr zurückhaltend.

Diese Zurückhaltung hatte neben persönlichen auch strukturelle Gründe: Im Dauerkonflikt
mit den Vertretern der französischen Besatzungsmacht erwies sich die Stellung
des Staatspräsidenten als besonders prekär; er war der Hauptgesprächspartner der
Militärregierung auch in Einzelfragen, die eigentlich den Ressortminister betroffen hätten
, und er wurde zugleich in eine sehr heikle und belastende Vermittlerrolle gegenüber
den Kabinettsmitgliedern wie gegenüber dem Landtag hineingedrängt; Lorenz Bock
hat sich dabei völlig aufgerieben; nicht nur für die Zeitgenossen, sondern auch dem späteren
Betrachter erscheint sein plötzlicher früher Tod (mit knapp 65 Jahren) als Folge
des permanenten Konflikts um Lebensfragen des Landes Württemberg-Hohenzollern.

Dabei erheben sich zwei Fragen. 1. Hat Lorenz Bock sich als politisch zu naiv erwiesen
, um der komplexen und widersprüchlichen französischen Besatzungspolitik zu
begegnen? 2. Hat Bock den französischen Wünschen zu wenig Widerstand entgegengesetzt
?

Die Forschungsliteratur ist geneigt, beide Fragen zu bejahen und in Bock eine eher
schwache Figur zu sehen. Raberg urteilt hierzu in seiner ausführlichen Einleitung unterschiedlich
. „Bock führte sein Amt mit großer, bisweilen zu großer Vorsicht... Er
durchschaute nicht die Strategie der Militärregierung..." (S. X). „Das Bemühen als gerechter
Makler' zwischen den deutschen Interessen und den Ansprüchen der französischen
Militärregierung zu vermitteln und zum Ausgleich zu finden, durchzog die
Amtszeit Lorenz Bocks ... Dieses Bemühen fand auch in den Kabinettsprotokollen seinen
Niederschlag. Letztendlich scheiterte Bock an diesen Aufgaben, wofür der Grund
weniger in seinem Unvermögen als in dem besonders , verminten Gelände' der französischen
Besatzungspolitik zu suchen ist." (S. XII) Nachdem der Landtag sich endlich
das Recht zu freier Debatte erstritten hatte, habe sich gezeigt, dass nur ein „entschiedenes
Auftreten Erfolge zeitigte, dass die Taktik der Regierung und besonders des
Staatspräsidenten Bock, der Militärregierung entgegenzukommen, wo es nur möglich

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