Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-MZ18
Zeitschrift für kritischen Okkultismus und Grenzfragen des Seelenlebens
Band 1
Seite: 60
(PDF, 78 MB)
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Psychologische Glossen zu dem Berliner Okkultistenprozeß.

daß die Abweichungen unwesentlich seien. Ob dies für sämtliche Abweichungen
tatsächlich zutrifft, mag zweifelhaft sein; doch kann dies
auf sich beruhen.

Seinen eigenen Worten nach hat sich Dr. Bruck für die Authentizität
dieser zweiten Fassung verbürgt1). Aber auch diese zweite Fassung
ist noch recht mangelhaft: ja sie soll sogar, wenn man Zeugenaussagen
Glauben schenken kann, in sehr wesentlichen Punkten unrichtig sein.

In der Hauptverhandlung wurde auf Antrag Dr. Mo Iis das handschriftliche
Original des Sitzungsprotokolls herbeigeschafft und dabei
stellte es sich heraus, daß es in einer großen Anzahl von Punkten —
wenn ich nicht irre, gegen 50 — von den gedruckt vorliegenden Fassungen
des Protokolls abwich, darunter auch in mehreren sehr wesent-
liehen Punkten. Diese Änderungen waren nachträglich von Dr. Sünner ,
wie er als Zeuge zugeben mußte, eigenmächtig vorgenommen worden.

Aus seiner Yernehmung ging aber des weiteren hervor, daß seiner
Überzeugung nach keine der drei bisher bekannten Fassungen des Protokolls
als authentisch angesehen werden kann, obgleich Dr. Bruck
sich schon für die Authentizität der zweiten Fassung verbürgt hat.
Dr. Sünner erklärte nämlich als Zeuge, es seien verschiedene wesentliche
Punkte in den Protokollen nicht richtig geschildert, so insbesondere
auch der Zeitpunkt der Kettebildung. Während nämlich nach den gedruckt
und handschriftlich vorliegenden Protokollen die Kette zwischen
dem Medium, Dr. Bruck und Dr. Sünner erst nach Lichtlöschen
gebildet worden ist und Dr. Bruck bezüglich seiner Person dabei auch
bei seiner Zeugenvernehmung verblieb, hat Dr. Sünner geglaubt, ein-
undeinviertel Jahr nach der Sitzung als Zeuge beschwören zu können,
daß er die Hand des Mediums schon vor Verdunkelung des Zimmers
erfaßt habe. Es bestehen zwei Möglichkeiten: Entweder ist diese Bekundung
wahr oder sie ist nicht wahr. Mag man zu ihr im übrigen
stehen, wie man will: vom Standpunkt wissenschaftlicher Quellenkritik
aus ist es selbstverständlich, daß die protokollarisch unmittelbar nach
der Sitzung festgelegte den Vorzug verdient vor der, soweit ersichtlich,
zum erstenmal nach 15 Monaten mündlich bekundeten Fassung. Sollte
aber wider alles Erwarten Dr. Sünners Gedächtnis ihn nicht trügen,
so wäre die Tatsache, daß er die Bedeutung dieser Bekundung für die
Frage der Echtheit der in dem Protokoll geschilderten Phänomene offenbar
bis in die jüngste Zeit nicht erkannt hat und daß er die dann falsche Beurkundung
dieser außerordentlich wichtigen Tatsache nicht nur in dem
ersten vorläufigen Protokoll, sondern auch in dem zweiten und dritten
angeblich endgültigen Protokoll nicht gewahr geworden ist, ein Zeichen
für eine kaum zu überbietende Leichtfertigkeit bei der Behandlung angeblich
wissenschaftlicher Protokolle.

Die Lehren des Mollprozesses für den Okkultismus sind leider
negativer Art: Für die Frage der Echtheit oder der Unechtheit der

») Ebendort S. 483.


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