Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-MZ18
Zeitschrift für kritischen Okkultismus und Grenzfragen des Seelenlebens
Band 1
Seite: 108
(PDF, 78 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_krit_okkult1926/0113
108

Richard Baerwald.

zu schützen. Ähnlich ergeht es uns, wenn wir auf einem hohen Viadukt oder
am Eande eines Abgrundes stehen: Die Tiefe zieht magnetisch an, der sichtbare
Tod lockt. Lenau hat dieser Empfindung in einem schönen Gedicht
Ausdruck verliehen. Bei großen Feuersbrünsten rennen manche Menschen
direkt in die Flammen, bei ihnen wird das Oberbewußtsein vom tückischen
Unterbewußtsein überrumpelt. Einer meiner Hörer wurde, auf einer hohen
Rampe stehend, von seinem „Dämon" derart gepackt, daß er wirklich hinabsprang
. Er war als kleines Kind einmal von einem Hausdache herabgerollt
und nur gerade am Dachrande noch hängen geblieben. Das hatte er inzwischen
ganz vergessen gehabt. Hier konnte also das Unterbewußtsein einen verdrängten
Komplex in den Dienst seiner Tücke stellen und dadurch alle Hemmungen
niederbrechen. — Kommt man zum Arzt, um ihm sein Leiden zu
demonstrieren, so verflüchtigt sich das Symptom, auf das es ankommt, im
Vorzimmer, um nach dem Verlassen der Sprechstunde wiederzukehren. Will
ein Darmkatarrhaliker einen Besuch machen, so wird er fast regelmäßig unten
an der Haustür von seinem häßlichen Leiden befallen. — Rühme dich nicht,
daß deine Krankheit sich erfreulich gebessert hat, sonst hast du morgen einen
Rückfall. Der von Paul Emile Levy und seinen Nachfolgern, den Coueisten,
gegebene Rat, man solle nur optimistisch von seiner Krankheit und den Erfolgen
der autosuggestiven Kur sprechen, um sich den Glauben an diese
Erfolge, indem man sie anderen gegenüber hervorhebt, selbst einzureden —
dieser Rat ist ein recht zweischneidiges Mittel zur Besserung. Lobe keinen
Schüler, sonst schießt er in der nächsten Minute einen dicken Bock! Daher die
internationale Angst vor dem ,,Berufen" und die entsprechenden Abwehrzeremonien
— Toi-toi-toi-sagen, dreimal unter den Tisch klopfen, Ausspucken
— durch die man sich selbst eine Gegen- und Schutzsuggestion erteilt und den
Dämonen unseres eigenen Unterbewußtseins ein Sühnopfer darbringt. Weit
verbreitet ist daher der Glaube, man dürfe nie von seinem Glücke sprechen,
sonst verscheuche man es. Ein anmutiges altjüdisches Märchen erzählt von
einem alten Ehepaar, das wegen seiner Frömmigkeit und zärtlichen Gattenliebe
von Gott gesegnet wurde, so daß ihm Brot und Öl nicht mehr weniger
wurden, so viel sie auch davon genossen. Keiner von ihnen aber sprach ein
Wort darüber. Als nun die alte Frau zu sterben kam, konnte sie das große
Geheimnis nicht mehr für sich behalten und begann mit brechender Stimme:
,,Hast du wohl gemerkt, daß Gott —" Hier aber hielt ihr der Gatte den Mund
zu und sagte: ,,Warte noch ein Weilchen, drüben wollen wir es uns erzählen!"

Bei den früher erwähnten Bewußtseinsteilungen wird es besonders deutlich
, daß unsere These von einer allgemeinen Feindseligkeit des Unterbewußtseins
im Rechte ist und Marcinowskis und Coues Ansicht, das
Unterbewußtsein wirke nur bei Pressung durch krampfhaftes Wollen als
obstinate Spiralfeder, bloß eine halbe Erkenntnis des Sachverhalts darstellt.
Das zweite Ich unternimmt hier seine Gehässigkeiten ganz von selbst, es ist
durchaus der aggressive Teil. Sally Beauchamps Niederträchtigkeiten,
Staudenmaiers teuflische Stimmen und Fratzen traten ohne besondere
Veranlassung auf. Die Dämonen bei der Besessenheit gehen ohne Herausforderung
zum Angriff über. Selbst bei jener Spezialform der Besessenheit, in


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_krit_okkult1926/0113