Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-MZ18
Zeitschrift für kritischen Okkultismus und Grenzfragen des Seelenlebens
Band 1
Seite: 145
(PDF, 78 MB)
Bibliographische Information
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  (z. B.: IV, 145, xii)



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Verschiedenes.

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Ich könnte es nicht verantworten, auf so unsicheres Material hin es auch
nur als wahrscheinlich zu bezeichnen, daß hier ein Fall von „Hellsehen" vorliege.

Man kann in keinem einzigen der erörterten Fälle mit hinreichender Verläßlichkeit
feststellen, was das Medium tatsächlich gesagt hat, geschweige denn,
was es an Informationen vor der Sitzung und während der Sitzung erfahren hat.
Und selbst wenn man das wüßte, dann bliebe immer noch die gleichfalls nicht
leicht zu lösende Aufgabe übrig, einwandfrei die oft mehrdeutigen oder richtiger
vieldeutigen Angaben zu deuten.

Solange nicht Telepathie und Hellsehen auf Grund von einer größeren
Anzahl zweifellos exakter Versuche als einwandfrei festgestellt angesehen werden
können, darf man sich meines Erachtens auch in Fällen wie den hier erörterten
nicht damit begnügen, bloße Wahrscheinlichkeiten als Gewißheiten zu behandeln.
Handelt man anders, so stützt man eine unsichere allgemeine Hypothese scheinbar
dadurch, daß man Einzelfälle, die gleichfalls nicht exakt erwiesen sind, als
erwiesen behandelt. Ich kann mich hier nicht so nebenbei mit den von anderem
Gesichtspunkt aus ausgehenden methodologischen Erörterungen Baerwalds1),
Mattiessens2) und Tischners3) auseinandersetzen. Das muß einer
späteren Gelegenheit vorbehalten bleiben.

Nur das eine möchte ich noch sagen. In seinem Bernburger Gutachten meinte
Tischner, ich negiere mich selbst, da meine Skepsis dazu führe, daß man auch
vor Gericht sich auf die Zeugenaussagen nicht verlassen könne, weil man sonst
stets in Gefahr sei, einen Justizirrtum zu begehen4). Nun bin ich der letzte, der die
Gefahr eines Justizirrtums unterschätzt5); ich bin mir auch als Richter im Grunde
bei jeder einzelnen Verurteilung dessen bewußt, daß wir uns auch irren können.
Wenn ich mir trotzdem die Wahrscheinlichkeit, über die wir hier nie hinauskommen6
), genügen lasse, so geschieht dies aus dem sehr einfachen Grunde^ daß
die Strafrechtspflege eine Aufgabe des praktischen Lebens ist, die im Interesse
der Allgemeinheit gelöst werden muß, so gut und so schlecht, wie es eben praktisch
möglich ist. Dagegen handelt es sich bei der Untersuchung okkultistischer
Probleme, insbesondere der Telepathie und des Hellsehens, um eine wissenschaftliche
Frage, deren Beantwortung zwar außerordentlich erwünscht, aber keineswegs
lebensnotwendig ist. Daher läßt es sich sehr wohl vereinbaren, wenn man
sich als Organ der Rechtspflege mit der bloßen Wahrscheinlichkeit genügen läßt,
die man auf Grund der Aussagen von Zeugen erhalten kann, nicht dagegen, wenn
man als wissenschaftlicher Forscher auf so dunklem und bestrittenem Gebiet wie
dem des Okkultismus tätig ist.

ihr wohl entnehmen mußte, daß er dazu neige, Hellsehen als erwiesen anzusehen. Es
dürfte das vermutlich einer der Fälle sein, in denen es sich um die Suggestivwirkung der
entstellenden und suggerierenden Zeitungsberichte handelt. Vgl. darüber v. Schrenck-
Notzing, „Kriminalpsychologische und psychopathologische Studien", Leipzig 1902,
S. 115 ff.; Seilo, „Zur Psychologie der cause celebre", Berlin 1910; Hellwig,
„Justiz und Presse" („Archiv für Kriminalanthropologie", Bd. 58, S. 193 ff.).

J) Bärwald, „Die intellektuellen Phänomene" (Dessoir, „Der Okkultismus in
Urkunden", Bd. II, Berlin 1925), S. 155 ff.

2) Mattiessen, „Der jenseitige Mensch", Berlin 1925, S. 362 ff.

8) Tischner, in dieser Zeitschrift, S. 30 ff.

*) a. a. 0., S. 40.

5) Sello, „Die Irrtümer der Strafjustiz'und ihre Ursachen", Berlin 1911; Alsberg
, „Justizirrtum und Wiederaufnahme", Berlin 1913; Hellwig, „Justizirrtümer",
Minden i. W. 1914.

6) Hellwig, „Wahrheit und Wahrscheinlichkeit im Strafverfahren" („Der Gerichtssaal
", Bd. 88, S. 417 ff.).

Zeitschrift für Okkultismus I.

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