Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-MZ18
Zeitschrift für kritischen Okkultismus und Grenzfragen des Seelenlebens
Band 1
Seite: 281
(PDF, 78 MB)
Bibliographische Information
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I

Urteilsblendung* durch psychische Osmose in der Prophetie und Psychoanalyse. 281

hielten, sich in die Hauptstadt ergossen hatten. Die Folge war die Gefangennahme
des Königs und das Ende des Königtums. Also sogar die
Zahl, die den Mordbrennern ihren Namen gab, wird im Quatrain richtig
angegeben.

Ebenso der Ort. Katharina von Medici hatte erst kurz vor dem
Tode des Nostradamus (1564) an der Stelle, wo früher Ziegeleien standen
— daher der Name — den Grundstein zu den Tuilerien gelegt. Da die
französischen Könige dieses Schloß nur selten bewohnten, ist die Prophezeiung
um so merkwürdiger. Als Nostradamus seine Prophezeiungen
schrieb, existierten die Tuilerien noch gar nicht.

Narbon „mit hohem Titel" wird als Verräter bezeichnet. Dieser Karbon
ist natürlich identisch mit Louis Graf Narbonne-Lara, der bis März
1792 Kriegsminister Ludwigs XYI. war. Da er sowohl dem Königtum wie
der neuen Verfassung gerecht zu werden trachtete, wurde er von beiden
Parteien verdächtigt. Der König entließ ihn unter dem Einfluß der Hofkreise
durch einen lakonischen, ungnädigen Brief. Ein Verräter war der
Graf, der am 10. August von den Jakobinern fast umgebracht wurde,
sicherlich nicht. Da aber Nostradamus vom royalistischen Standpunkt aus
schrieb, konnte er ihn doch so bezeichnen.

Der andere Verräter ist Sauice „unter seinen Ahnen Hüter des Öls".
Auch dieser Name ist historisch. Sauce, ohne 1, hieß nämlich der Krämer
und Gastwirt in Varennes, der Ludwig XVI. auf der Flucht erkannte und
anhalten ließ. Wie Le Pelletier feststellte, waren schon die Vorfahren von
Sauce Inhaber dieses Krämerladens. „Hüter des Öls" könnte unserem
„Heringsbändiger" entsprechen. Der Verrat des Sauce wurde durch die
Nationalversammlung durch eine Dotation von 20000 Livres belohnt.
Hyperkritiker könnten am fehlenden 1 Anstoß nehmen, es entspricht aber
der Differenz der alten und modernen französischen Sprache.

Bormann und Kemmerich hielten die Übereinstimmung des Quatrains
mit der späteren geschichtlichen Wirklichkeit für so unglaublich, daß sie
große Mühe aufwandten, um seine Echtheit zu beweisen. Sie braucht auch
nicht angezweifelt zu werden.

Wer diese Darlegung naiv durchliest, fühlt sich in der Tat geblendet.
Mir war es sogleich klar, daß hier einiges nicht stimmte und eine Glanzleistung
psychischer Osmose vorlag. Da ich mich aber als Historiker
nicht zuständig fühlte, machte ich Herrn Professor Eichard Hennig darauf
aufmerksam, wie wünschenswert es sei, durch historische Nachforschungen
Licht in diese recht dunkle Angelegenheit zu bringen. Er
hatte die Güte, sich im Jahre 1924 für die Sache zu interessieren und
mir seine Ergebnisse zur Verfügung zu stellen. Es ergab sich uns nun
folgendes Bild:

Le part soluz, der einsame Gatte. Wenn ein Gatte „einsam" ist, sobald
seine Frau im Nebenzimmer sitzt, ist es leicht, Strohwitwer zu
werden.

mary, traurig. Sicher war Ludwig XVI. im Juni 1792 traurig.
Aber soluz mary heißt doch wohl „einsam und traurig", traurig, weil


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