Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-MZ18
Zeitschrift für kritischen Okkultismus und Grenzfragen des Seelenlebens
Band 1
Seite: 285
(PDF, 78 MB)
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Urteilsblendung durch psychische Osmose in der Prophetie und Psychoanalyse. 285

die französische Bevolution osmotisch einwirkt, plötzlich die Tuilerien,
und nun ist das Wunder fertig.

*

In der psychoanalytischen Traumdeutung wird der Inhalt des
Traumes teils von einer bestimmten Deutungsidee osmotisch infiltriert,
teils von allgemeinen Theorien, z. B. der, daß jeder Traum eine Wunscherfüllung
darstelle, daß die meisten Träume sexuelle Hintergedanken
haben sollen usw. Um zu prüfen, wie weit in den Auslegungen, die
Freuds Buch „Die Traumdeutung" vorbringt, logische Notwendigkeit
und nicht bloß osmotische Urteilsblendung vorliegt, habe ich es wiederum
mit dem Auswechslungsverfahren versucht. Ich stellte mir vor, es verfiele
jemand auf die Theorie, daß der Traum es nicht auf Wunscherfüllung
, sondern auf möglichste Häufung drolliger Gegensätze abgesehen
habe. Und siehe da, die meisten in jenem Buche angeführten Träume
ließen sich noch viel leichter und widerspruchsloser so drehen, daß sie zu
dieser Pseudotheorie paßten, als zu Freuds ernstgemeinter Leitidee.
Übrigens rannte dieser mein Versuch offene Türen ein: Stekel, Jung,
Adler haben ja schon die Probe auf das gleiche Exempel gemacht,
jeder „osmotisiert" den Trauminhalt mit seinen Speziallösungen, und der
Erfolg zeigt, daß der Traum zu ihnen allen gleich willig „Ja" sagt.
Ein maßgebenderes Experimentieren als es die höchste Eichterin, die
Geschichte der Forschung durchführt, kann sich niemand ausdenken.

Es scheint mir aber für die Beurteilung der psychoanalytischen
Methode wertvoll, wenn wir das Auswechslungsverfahren an einem bestimmten
Fall erproben, den Freud für besonders beweisend und klar hält
(„Traumdeutung", Leipzig und Wien, Deuticke, 7. Aufl., 1922, S. 254 ff.).
Es handelt sich um den Traum eines gesunden Mädchens, denn „die unbefangenen
Träume Gesunder enthalten oft eine viel einfachere, durchsichtigere
und mehr charakteristische Symbolik als die neurotischer Personen
, in denen sie infolge der stärker wirkenden Zensur und der hieraus
resultierenden weitergehenden Traumentstellung häufig gequält, dunkel
und schwer zu deuten ist". Wir haben es also mit einem Paradefall
der Psychoanalyse zu tun, in dem „nichts überflüssig, jedes Wort ein
Symbol" ist. Die Träumerin ist Braut, der Heirat haben sich aber verzögernde
Widerstände in den Weg gestellt. Wir geben, wie Freud selbst,
immer unmittelbar nach den Worten ihres Traumberichts die psychoanalytische
Deutung:

I arrange the centre of a table with flowers for a birthday." Freud
fragt, was für Blumen? „Expensive flowers; one has to pay for them,
lilies of the valley (Maiglöckchen), violets and pinks or carnations (Nelken
)". Auslegung: Die Dame denkt bereits, die Widerstände ihrer Sehnsucht
durch die Wunscherfüllung des Traumes überfliegend, an die Geburt
ihres späteren Kindes. Der flache Tisch ist ihr eigener, als dürftig
empfundener Körper, das „centre of the table" ihr Genitale, das „arrange
for birthday" deutet auf die Deflorierung, aus der das Kind entstehen


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