Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-MZ18
Zeitschrift für kritischen Okkultismus und Grenzfragen des Seelenlebens
Band 1
Seite: 288
(PDF, 78 MB)
Bibliographische Information
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Richard Baerwald: Urteilsblendung durch psychische Osmose usw.

wird. Eine zweite, eine dritte Deutung führt dann neue Pseudoharmonien
herbei. Eben darum kann Freud in jedem Traum mehrere Schichten
latenter Traumgedanken finden, denn wo er einen vermutet, nehmen
die Späne des Trauminhalts sofort Eichtung auf ihn zu. Die Methode,
die ihr verwendet, ist also offenbar viel unsicherer, viel problematischer,
als ihr gedacht habt, vieles, was ihr für empirisch feststellbare Sachverhalte
angesehen habt, war nur osmotische Blendungswirkung."

Ich breche hier ab, obgleich zu diesem Thema noch sehr viel für
und wider zu sagen wäre. Aber wir wollen ja nur die Bedeutung der
psychischen Osmose für die Psychoanalyse kennen lernen, nicht aber
ein Gesamturteil über das psychoanalytische Gedankensystem gewinnen.
Keineswegs glaube ich, daß meine Feststellungen so weit reichen, daß
sie letzteres erschüttern könnten. Es gibt zahlreiche psychoanalytische
Deutungen, die sich nicht auf bloße Osmosewirkung zurückführen lassen,
bei denen das Auswechselungsverfahren erfolglos abprallen würde. Freuds
unsterbliche Verdienste zu leugnen, kommt mir nicht in den Sinn. Aber
eine Konsequenz für die Gesamtlehre wird man doch aus unseren Darlegungen
ziehen müssen: Mit einem so unsicheren tastenden Instrument,
wie es die psychoanalytische Methode ist, darf man keine unbedingten,
allgemeinen Gesetze finden wollen. Das „Immer" und das „Muß" ist
aus der Lehre Freuds zu eliminieren. Es kommt vor, daß ein Traum
eine Wunscherfüllung vorstellt; der manifeste Trauminhalt symbolisiert
manchmal eine tiefer liegende Idee; diese Idee ist oft eine sexuelle;
sie ist zuweilen infantilen Ursprungs. Das alles kann man sagen und
durch gute, sichere Fälle belegen. Aber sobald man solches „Vorkommen" in
ein „Seinmüssen" verwandeln will, übernimmt man eine unerfüllbare
Aufgabe und überstrapaziert das heikle, im Nebelreiche des Unbewußten
nur mühsam vordringende Erkenntnismittel des Deutens aus dem Selbstverrat
der freien Assoziation. Durch jenen Trieb, Gesetze zu finden, wo
es doch nur typische Fälle gibt, bekommt Freuds Lehre das krampfhaft
Dogmatische, Unempirische und unerträglich Komplizierte, das ihr
anhaftet. Sobald man aber das „Immer" opfert, fällt auch die unbedingte
„Determination" aller psychischen Akte im Sinne Freuds. Man kann
nun nicht mehr behaupten, der Traum enthalte nichts Zufälliges, Sinnloses
, jeder Purzelbaum der Phantasie sei intrigantenhaft geflissentlich
ausgeheckt. Man kann dann nicht mehr die Dinge auf den Kopf steilen
und leugnen, was vor Augen liegt, nämlich, daß der Traum und ähnliche
Zustände einer primären (nicht bloß durch Verdrängung gestifteten)
Dissoziation, einem Bröcklig- und Inkohärentwerden der Hirnarbeit und
des Bewußtseins entsprechen. Hat die Psychoanalyse so mit der älteren
Traum- und Neurosenlehre Frieden geschlossen, so wird sie, wie ich
glaube, in der nunmehr erreichten maßvolleren Form siegen. Diese Auffassung
scheint von zahlreichen besonnenen und urteilsvorsichtigen Freunden
der Psychoanalyse geteilt zu werden.


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