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Ehe ich nach Warschau reiste, übergab mir Frau v. Noailles drei sorgfältig
versiegelte Briefumschläge, deren Inhalt mir völlig unbekannt war.
Stephan ergriff einen davon und sagte: „Das werde ich lesen." Nachdem er
den Brief hin und her geknüllt hatte sagte er: „Es ist etwas über die Natur,
wie von einem großen französischen Dichter Edmond llosland. Es enthält viel
Licht und die Nacht: es sind Verse aus Chanlecler, die der Hahn spricht." Frau
v. Noailles halte geschrieben: „Es ist Nacht, wie schön ist es, an das Licht zu
glauben. Edmond Rostand." Diese Verse spricht der Hahn in Chantecler.

Da Stephan kein großer Freund dieser Experimente ist, versprach ich ihm,
um ihn zu reizen, ein Autogramm der Sarah Bernhard, wenn es ihm gelänge. Er
nahm an. Ich richte an meine berühmte Freundin ein Telegramm mit der Bitte,
sie solle mir etwas von ihr Geschriebenes in versiegeltem Briefumschlag schicken.
Sie antwortet umgehend, und ich erhalte den Brief direkt aus der Hand des
Briefträgers im Hotel in Warschau. Ich übergebe ihn Ossowiecki, der bei
hellem Licht, nach langem Zögern, unter den aufmerksamen Blicken von Geley
und mir, sagt: „Das Leben erscheint uns bescheiden, weil es ist . . . (da kommt
ein so absolut französisches Wort, daß ich es nicht lesen kann, aber ich weiß,
daß es acht Buchstaben hat." Sarah hatte geschrieben: „Das Leben erscheint
uns schön, weil wir wissen, daß es vergänglich (ephemere) ist.

An einem andern Tag hatte Ossowiecki über ein ganzes Essen die Anwesenden
damit unterhalten, daß er Zahlen und Worte erriet, aber es geschah ohne
wissenschaftliche Kontrolle. Darauf bitte ich ihn um ein ernstes, beweiskräftigeres
Experiment. Ich wende mich von ihm weg, nehme ein Stückchen
Papier, schreibe ein ganz kurzes Wort darauf und halte es zerknittert in der
Hand. Dann reiche ich Stephan meine geschlossene Hand. Stephan sagt: „Es
ist sehr kurz, ein T mit zwei kleinen durch das T gezogenen Querstrichen, und
dann eine Null und dann ein I." Ich hatte geschrieben Toi und hatte zwei kleine
Querstriche durch das T gezogen.

Einer der fabelhaftesten Fälle von Kryptästhesie, den man Stephan verdankt
, ist der folgende. Die Frau^des Präsidenten des Kassationshofs von Warschau
sagt zu ihm: „Ich habe eine Brosche verloren, an der mir sehr viel liegt.
Können Sie sie mir wieder verschaffen?" Ossowiecki lacht darüber. Und
dennoch, als er zwei Tage nachher in der Stadt spazierenging, begegnet ihm
ein unbekannter Mann, er sieht ihn scharf an und sagt unvermutet zu ihm:
„Sie fanden auf der Straße eine Brosche mit einem Saphir und Diamanten."
Und so war es.

4. Der letzte Fall verblüffend wunderbarer Kryptästhesie ereignete sich ganz
kürzlich; wären uns auch nicht unzählige, verschiedenartige Fälle von Kryplä-
slhesie bekannt, würde dieser allein schon genügen, uns unwiderruflich zu überzeugen
.

Nicht nur ich habe ihn beobachtet. Er wurde beobachtet von meinen Freunden
, den Aerzten Osty und Lassabliere, von einem Lehrer unsrer Fakultät,
meinem Freund Cuneo, und von drei meiner hervorragendsten Kollegen der
Academio des Sciences, Daniel Berthelot, General Ferrie, Leclainche. Sie konnten
mit mir die Tatsachen bestätigen und sie sind bereit, Zeugnis dafür abzulegen
.

Man fordert Kahn auf, in ein Nebenzimmer zu treten; alleingelassen schreibt
man irgendeinen einfachen oder verwickeilen Satz auf ein Stück Papier, das
man zweifach, darauf vierfach und achtfach zusammenlegt und mit Klebpapier


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