Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1926/0120
101

was sich in ihrer Phantasie und was sieh in der Wirkliehkeil abspielt. Sie lassen
sieh lauschen, weil sie getäuscht werden wollen, oder lauschen sich — wenn,
nichl ein Medium ihnen diesen Liebesdienst lul — selbst, um ihr neurotisches
System, den „okkullen Komplex", zu stützen.

Bisher hat die Schule Freuds sich mit dieser Erklärung der Phänomene
als eines rein subjektiven neurotischen Blendwerks begnügt, ohne den Zusammenhängen
von der Echtheit der Erscheinungen näher nachzuforschen.

In neuester Zeil hat sich allerdings Freud von der Realität eines — übrigens
recht kümmerlichen — telepathischen Erlebnisses bei einer Patientin überzeug!
und daraufhin die Frage der Telepathie für diskussionsfähig erklärt.

Indessen glaube ich, man wird dieserseits trotzdem fortfahren, die Dinge
aus dem Gesichtswinkel der Neurosenlehre zu betrachten, was sich bei dem
Dogmatismus der klassischen Schule Freuds und ihrer einseitig sexual-palho-
logischen Betrachtungsweise vorläufig wohl nicht ändern wird.

Jedoch gibt es auch Analytiker, die sich von dem autoritären Einfluß
Freuds mehr oder weniger frei gemacht haben und die große Bedeutung erkennen
, welche Parapsychologie und Psychoanalyse füreinander haben. So
zählt z. B. die Berliner Gesellschaft für parapsychische Forschung einige Psychoanalytiker
zu ihren prominenten Vertretern.

Der grundlegende Fehler der Freudianer liegt, wie wir wissen, darin, daß
sie die objektiven Phänomene der Parapsychologie mit den subjektiven Symptomen
der Neurose identifizieren. In Wirklichkeil sind beide Vorgänge durchaus
zweierlei^ wenngleich nicht geleugnet werden kann, daß zahlreiche Wechsel-«
beziehungen bestehen und Vermischungen beider Erscheinungsreihen zu konstatieren
sind. Man kann manche Formen der Hysterie sicher auf fehlgegangene
mediumistische Entwicklung zurückzuführen und kann wiederum auch nichl mit
Unrecht behaupten, daß die Medialität eine veredelte Neurose, ein Sublimierungs-
vorgang ist. Aber gerade deshalb dürfen wir nicht beides in einen Topf werfen,
wie es seitens der Okkultismusgegner mit Vorliebe geschieht, sondern wollen uns
bemühen, die Begriffe zu trennen und die Grenzlinien zwischen Neurose und
Medialität aufzuzeigen, denn diese Beiden Aeußerungsforrnen des Unterbewußten
sind ja auch nicht näher blutsverwandt als etwa Neurose und Künstlertum und
andere Vorgänge aus der Reihe der Sublimierungsprozcsse, die man ja für gewöhnlich
auch nicht in den neurotischen Symptomenkomplex einbezieht.

Ganz unsinnig und undiskutabel ist es natürlich, die Phänomenik selber als
subjeklhes neurotisches Produkt abzutun. Etwas anderes ist es, wenn sich die
analytische Beti achlungsweise auf Personenkreise erstreckt, die irgendwie affektiv
am okkulten Erscheinungsgebiet interessiert sind; hierhin gehört ein Teil
der Medien, andererseits gewisse Klassen von extremen Anhängern sowie \on
Gegnern des okkulten Gebiets, deren Einstellung vielfach entweder an die
Neuiose grenzt oder direkt in sie übergehl. Die Mentalität dieser Spezies ist
\crgleichbar derjenigen, die wir bei religiösen Glaubenskämpfen vorfinden. Sie
erstreckt sich in erster Linie auf die metaphysische Seite der Parapsychologie,
in deren Brennpunkt die Frage Monismus oder Dualismus?" steht. Allerdings
werden auch die Phänomene an sich von den meisten metaphysisch Interessierten
unter dem Gesichtswinkel ihrer weltanschaulichen Auswertung betrachtet, und
da der Dualisl sie naturgemäß a priori postulieren muß, während der Monist
gezwungen ist, sie a limine abzulehnen, so sind beide Teile, sofern sie affektiv
an ihr Dogma gebunden sind, unwillkürlich geneigt, den Tatsachen im Sinne


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1926/0120