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fünften Lebensjahr, jener Epoche der Kindheil, in der sich der Geisl aus der
Dumpfheit des Unbewußten zu bewußtem Leben entwickelt und die für die
seelische Entwicklung von besonderer Wichtigkeil ist. Speziell die frühsexuellen
liegungen des Kindes verfallen diesem Mechanismus und gerade die sexuellen
Verdrängungen spielen im späteren Leben, insbesondere beim Zustandekommen
der Hysterie eine wichtige Rolle. Jedoch nicht nur erotische Regungen werden
verdrängt: mit Angst, Schreck, Unbehagen, Zorn, Gewalttätigkeit verknüpfte
Erlebnisse gleiten vielfach ins Unterbewußte des jungen Menschen hinein.
Auch affektmäßige Einstellungen zu irgendwelchen geistigen oder Gefühlsdingen
können — speziell im Puber lälsaller — in Verdrängung geraten. Es entsteht
dann eine neurotische Gefühlsbetonung in wellanschaulichen, ethischen, religiösen
, politischen oder hygienischen Fragen, wie wir sie z. B. im Falle des
Antiokkullismus analysiert haben.

Mehr oder weniger erleidet natürlich jedes Individuum Verdrängungen, und
zwar je jünger, desto leichter und desto nachhaltiger. An sich also ist die
Verdrängung kein krankhafter Vorgang, sondern eine durchaus zweckmäßige
Reaktion des seelischen Organismus auf Reize, die nicht verarbeitet, nicht ausgeschieden
, nicht abreagiert werden können.

Wir können diesen Prozeß mit Vorgängen des Stoffwechsels vergleichen.
Einen Giftstoff, den der Körper weder verarbeiten noch ausscheiden kann,
sucht er in unlösliche kristallinische Form zu bringen und dann im Zellgewebe
abzulagern. Fürs <»rste ist er so unschädlich gemacht. Eine Gefahr besteht aber
insofern, als die Ablagerung mit der Zeil (»inen derartigen Umfang annimmt, daß
die Organzellen in ihrer Funktion gestörl werden, oder indem sie sich von vornherein
an einer lebenswichtigen Stelle absetzt und dort Störungen hervorruft,
oder indem irgendwelche Vorgänge den Giftstoff in größerer Menge verflüssigen
und in den Kreislauf werfen, so daß eine plötzliche Ueberschwemmung
des Körpers mit Selbstgiften eintritt. Das Bild, das dann entsteht, nennen
wir eine Krisis oder Reaktion. Ist der Körper imstande, den Giftstoff restlos
auszuscheiden, so tritt Heilung ein. Ist er aber gc/M ungen, die Gifte wieder
abzusetzen, so wiederholt sich der Krisenvorgang bei nächster Gelegenheit von
neuem. Und schließlich kann bei geschwächter Konslilution eine Krisis derartige
Ausmaße annehmen, daß entweder eine dauernde sciiwere Gesundheils-
slörung eintritt — beispielsweise indem eines der Ausscheidungsorgane unbrauchbar
wird — oder daß der Tod erfolgt.

Ganz ähnlich wie der Körper sich mit seinen Slof Ewechselsehlacken auseinandersetzt
, so verfährt auch der seelische Organismus mit seinen Verdrängungsschlacken
. Wir haben gesunde körperliche Konslilulioncn, die sehr wenig
Schlacken bilden und mit ihren Krisen leicht fertig werden; wir haben Körper,
die nur unter anormalen Lebensbedingungen erkranken: wir haben endlich die
erblich belasteten, von Geburt an minderwertigen Konslilulioncn, die auch
unter normalen oder sogai schonenden und gesundbeilsgemäßen Bedingungen
massenhaft Sloffwechselgifle bilden und ständig unter Krisenerscheinungen
stehen.

So gibt es auch seelische Konstitutionen, die eine außerordentliche Widerslandskraft
gegen Reize besitzen, fast alles abreagieren, wenig verdrängen und
jede seelische Krisis mit Leichtigkeit bemeistern; weniger Widerstandsfähige,
die nur unter normalen seelischen Bedingungen ihr seelisches Gleichgewicht
bewahren, jedoch im ungünstigen Milieu, vor allem bei fehlerhafter Erziehung,


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