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Eifersucht oder Jlachsuchl beruhen, das Vergessen eines sonst geläufigen Namens
l>eruht auf der Assoziation zu irgendwelchen unangenehmen Erinnerungen; jemand
, der einen körperliehen Fehltritt tut, hat vielleicht den Wunsch nach
einem sittlichen Fehltritt verdräugt; das Beschädigen eines Bildes beruht auf
einem unterdrückten Vernichtungswunsch gegen das Original oder den Künstler;
oder wenn z.B. ein Untergebener in einem Tloast auf seinen Chef sagt: „Lassen
Sie uns anstehen und aufstoßen..." so entstammt dieser lapsus linguae todsicher
einer verdrängten Geringschätzung oder Neidempfindung.

Psyehoanahse ist also weiter nichts als die Erschließung der zur Neurose
führenden unterbewußten Yerdrängungsvorgänge. Ihr Weg ist die Ausdeutung
der Symbole, die sich im Traummalerial, im hysterisch-neurotischen Symbol,
in den Fehlleistungen und in den systematisch gesammelten Spontaneinfällen
und assoziativen Verknüpfungen des Ncurotikers ergeben. Der Weg der Psychoanalyse
ist sowohl ein diagnostischer als auch ein therapeutischer. Im selben
\ugenblick, wo es gelingt, den Komplex diagnostisch aufzulösen, ihn der oberbewußten
Erkenntnis nicht nur Verstandes-, sondern auch erlebnis- und gefühlsmäßig
zugänglich zu machen, tritt die Heilung ein, verschwindet das hysterische
Symptom.

Die leichtere Form der Verdrängung, die Neurose, die ich vorher am
Beispiel der Mollschen Schule schilderte, wird nun noch besonders gekennzeichnet
durch die Verdrängung eines Minderwertigkeitsgefühls, das zu kompensieren
\ersucht wird. Hin4für ergeben sich zwei Möglichkeiten: entweder die tatsächliche
Ueberieistung, die das beschädigte Selbstbewußtsein wiederherstellt oder
ersetzt, oder das Sicheinspinnen in die subjektive neurotische Bezugstwelt,
innerhalb deren der Neurotiker herrscht, und in die er vor der Berührung mit
der realen Außenwelt flieht, der er sich nicht gewachsen fühlt, und in der er
Schiffbruch zu leiden fürchtet. Ihr gegenüber sucht er sich um die Verantwortlichkeit
herumzudrücken, indem er aus der Verantwortung in die Krankheit,
die Neurose, flieht, di< sein Versagen nach außen hin entschuldigen und
motivieren soll.

Eine Chance zur Selbstheilung besieht im Vorgang der Sub3imierung. Die
neurotische Spannung wird in anderweitige wertvolle produklive Spannungen
künstlerischer oder ethischer Natur umgewandelt und auf diese Weise nicht
nur unschädlich, sondern sogar produktiv nutzbar gemacht. Auch die Anal)sc
sucht diesen Weg als Ileilungsfaktor auszunützen.

Wir sehen also, wie uns die Psychoanalyse eine gan^e Reihe \on Seelen-
\ergangen verständlich macht, die der allen Oberbewußtseinspsychologie nicht
erfaßbdi waren, weil sie fremdartig, abrupt, widersinnig, aus dem Zusammenhang
gerissen, scheinbar aus einer andern Welt stammend erschienen, und weil
wir keine Möglichkeit hatten, sie untereinander kausal zu \ erknüpfen. Heule
wissen wir, daß das, was an seelischen Krankheilserscheinungen für uns oberbewußt
erfahrbar und erlebnisfähig ist, nur Endergebnis seelischer Prozesse ist,
und daß der neurotische Wirrwarr sinnvoll wirVl, sobald es uns gfeliugt, bis an
die unterbewußten Wurzeln und A erknüpfungen dieser Prozesse vorzudringen.

Nun ist es ja ganz klar, daß die psychoam,alytischen Gedankengänge, wenn
anders sie richtig sind, nicht nur auf die Neurose anwendbar sein dürfen,
sondern auch bei Anwendung auf andere verwandte, unterbewußte Prozesse sich
bewähren müssen. Und das ist auch in der Tat der Fall. Die Prinzipien der
Komplexabspaltung, der Schizophrenie und der Symbolbildung lassen sich - -


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