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KrönT: Parapsychologie und Psychoanalyse

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nur quantitative, nicht qualitative Unterschiede, ähnlich wie z. B. Gifte in
verdünntem Zustand heilend wirken können) —, überall begegnen wir der
Symbolbildung. Das Symbol zeigt die Entelechie an, ist ihr äußerer, sinnfälliger
Ausdruck. Setzen wir Enlelechie mit dem Platoschen Ideenbegriff gleich, so
wird natürlich die ganze Erscheinungswelt plastisches Symbol, Ausdruck der
innewohnenden Idee, und wir kommen so zu der Erkenntnis, daß das organische
Leben nichts weiter darstellt als eine Ideoplastik, und daß die medialen Materialisationsvorgänge
nichts anderes sind als ein sinnfälliger, unter abnormalen
Bedingungen verlaufender, aber nicht naturwidriger Spezialfall jener Ideoplastik
, die wir Leben nennen.

Und hierin liegt die ungeheure Bedeutung des okkulten Tatsachengebiets:
Glicht im Vorkommen seiner Erscheinungen als Kuriosität, als monströses
sinnenkilzelndes Wunder, nicht in seiner Autfassung als Telegraphie in eine
jenseilige Welt, als Beweismittel für Gott und Unsterblichkeit, sondern als Erscheinungsgebiet
, das uns in die tiefsten Geheimnisse der Natur, in ihre innerste
Werkstatt einen Einblick nehmen läßt. Es erteilt uns einen Anschauungsunterricht
in den letzten Weltanschauungsfragen: Urzeugung, Lebenswerdung, Ueber-
gang von der Entelechie zum Stoff und von der Materie wieder zum organisierten
Leben. Die Parapsychologie gewährt uns einen, wenn auch zur Zeit noch
verschleierten Einblick in die letzten Wunder der Schöpfung. Dies aber nur
dann, wenn wir den Phänomenen durch analytische Betrachtungsweise einen
Sinn geben, ihnen ihren Widersinn nehmen. Dann bleibt dies Stiefkind der
Naturwissenschaft nicht länger eine von der Erkenntnis widerwillig geduldet©
oder leidenschaftlich bestrittene Ausnahme, sondern das Okkulte erfüllt geradezu
ein Postulat aller ernsthaften Metaphysik. Wü müßten seine Phänomene
fordern und suchen, wenn sie nicht schon längst entdeckt und bewiesen wären.
Eines sehen wir schon heute: Die Todesstunde des bisherigen materialistischen
Monismus hat geschlagen, und der Rationalismus wird wieder auf sein ihm
zukommendes Maß reduziert werden müssen. Psychoanalyse und Okkultismus,
vereint in der Parapsychologie, bilden die erkenntnistheoretisch wichtigste wissenschaftliche
Disziplin der Zukunft, und alle Dunkelmänner werden ihren
schließlichen Siegeslauf nicht aufhalten können. Zum erstenmal in der Mensch-
heitsontwicklung bietet sich ein Weg, Glauben und Wissen, exakte Naturwissenschaft
und Intuition zu einer Art höherer Wissenschaft in Synthese zu bringen.

Wehe der heutigen Schulwissenschaf I, wenn sie sich dem Gebot der Stunde
verschließen sollte, der immer stärker an ihre Pforten pochenden neuen Erkenntnis
- und G^islesrichlung die Tür weit auf zutun, verschließen aus lächerlichen
platten Bedenken, reaktionärer, doktrinärer und neurotischer Einstellung
heraus. Iiier liegt ein Fall, an dem die Wissenschaft zu beweisen vermag, ob
sie die Ehre verdient, Dienerin und Pfadfinderin der Wahrheit genannt zu
werden, oder ob sie nichts weiter ist als die Neuauflage mittelalterlicher
Scholastik, ein Kartell zum Schulze irgendwelchen orthodoxen Bonzentums.

Wir haben gesehen, daß eine erweiterte, von dogmatischen Bindungen befreite
und konsequent zu Ende gedachte Psychoanalyse uns nicht nur über die
seelische Struktur der Ekstatiker des Okkultismus und des Antiokkultismus
unterrichtet, und uns damit eine zu fürchtende Waffe gegen die Feinde und
die unerwünschten Mitläufer der Bewegung in die Hand gibt. Wir sahen vielmehr
daß die Analyse uns die Möglichkeit verschafft, unsere eigne Einstellung, soweit
sie neurotisch ist, zu erkennen, zu korrigieren oder zu sublimieren. Wir'

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