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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1926/0174
Buchner: Der Molipro/eß in /weiter Auflage. 155

konnle biek bezüglich der Klärung des Tatbestandes der Entscheidung begeben
und halle dann nur darüber zu befinden, ob, wenn die Frage „echtes Phänomen
" oder ,,Täuschung" offen blieb, eine Beleidigung des Mediums durch
■Moll \orlag oder nicht. Es wäre das mehr oder weniger eine rein juristische«
Krage gewesen, und sie halle sich verhältnismäßig rasch entscheiden, lassen.
Die zweite Möglichkeil lag in dem Versuch, eine wirklich sachliche Klärung
herbeizuführen, ein Versuch, der natürlich in der Vernehmung neuer Zeugen
und Sachverständigen gipfeln mußte. Landgerichtsdireklor Pusch entschloß
sich zunächst zum zweiten Weg, erschrak aber dann wohl selbst über seine
Kühnheit, kehrte um und erließ ein Urleil, das sich um die Beweisaufnahme
nicht im geringsten bekümmerte (der Wortlaut des Urteils gibt das offen zu),
ein Urteil, das er ebenso gut gleich zu Beginn der A erhandlung nach Verlesung
des unlcr Anklage gestellten Kapitels der Molischen Broschüre hätte fällen
können. Ein Urleil, das auf jeden Versuch materieller Klärung offen Verzicht
leistet und auch die reine Belcidigungsangelegcnheit nicht sachlich entwirrt,
sondern dadurch auf ein Nebengleis zu schieben weiß, daß es feststellt, der
Vngriff Molls richte sich gar nicht gegen das Medium, sondern gegen die
Berliner Okkullislenführer und deshalb sei von einer Beleidigung des Mediums
überhaupt nicht die Rede. Also Freispruch Molls, der diesmal nicht einmal
auf die Wohltat des § 190 Anspruch zu erhoben braucht (die ihm im übrigen
von Landgerichtsdireklor Pusch ebenfalls bereitwilligst zugebilligt worden wäre)
und demnach nicht in Versuchung kommen wird, wie das letzte Mal gegen
seine Freisprechung auch seinerseits Roision anzumelden.

Vom Urleil wüßte ich weiteres nicht zu sasren. Es erscheint als ein Ver-
legonheilsspruch und wird schwerlich -- um mich eines stilistischen Purzelbaums
des in sein eigenes Pathos verliebten Rechtsanwalts llildebrand zu
erinnern — lange Zeit „im deutschen Blätlerwald rauschen". Aber die Verhandlung
selbst verdient noch ein kurzes Nachwort, verdient es als Glied in der
heute noch unabsehbaren Kette von Zusammenstößen zwischen Leuten orthodoxwissenschaftlicher
Observanz vom «Schlage Molls, die mit ihrem „Unmöglich"
aus Weiß Schwarz und aus Schwarz Weiß zu machen suchen, und uns, die wir
dic«e A111 o s 11 g g e s l i o n des „Unmöglich'' ais größte und folgenschwerste
Fehlerquelle bei dem Studium der okkulten
Phänom ene erkannt haben. Moll beteiligt sich an diesem Kampf nach seiner
Vussage bereits seit etwa /|ü Jahren. Das ist eine lange Zeil, und man sollte»
annehmen, daß er in diesen vier Jahrzehnten Gelegenheil gehabt haben müßte,
das okkulte Gebiet einigermaßen gründlich kennen zu lernen. Nun sieht ja
zweifellos fest, daß Moll eine große Menge >on Büchern über das Thema gelesen
, daß er auch mit einei großen Zahl von Medien oder angeblichen Medien
experimentiert hat. Aber man staunt doch, wenn man aus der äußerst salopp
und oberflächlich geschriebenen Broschüre ,J)er Spiritismus*', wenn man aus
seinen in aufgeregtem Ton hervorgebrachten mündlichen Deduktionen, die
niigends die Spuren eines tiefer schürfenden Studiums aufweisen, feststellen
muß,,wie wenig das alles gefruchtet hat. Von einer Beherrschung der
okkulten Phänomenologie (die man sich nämlich auch als geschworener Skeptiker
aneignen kann) ist bei ihm keine Rede, und zwar einfach deshalb nicht,
weil er sie von vornherein als Phantasterei ansieht und entsprechend gering
einschätzt — weil er ihr etwa in gleicher Weise entgegentritt wie der Durchschnittsmensch
den Wahngebilden eines Geisleckranken. Niemals kommt es bei


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