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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1926/0176
Buch nee: Der Mollprozeß in zweiter Auflage.

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Es ist kein Zweifel: Moll ist der Mann von vorgestern. Und deshalb ist eino
Verständigung mit ihm nahezu ausgeschlossen. Er lehnt die Verstandestätigkeit
des Tieres ab, weil sie der bisherigen wissenschaftlichen Auffassung widerspricht
: er lehnt die Möglichkeit der okkulten Phänomene ab, weil sie mit dem
Weltbild, das er sich zurecht gemacht hat, nicht in Einklang zu bringen sind.
Es wirkte naliezu tragikomisch, als Moll dem Richter auseinanderzusetzen
suchte, daß die Okkultisten wahr und wahrhaftig mit der Möglichkeit rechnen,
daß ein Reifen sich in seine Atome zerlegen, sich a,lso sozusagen ins Niehls
auflösen und unsichtbar machen könne, um dann durch irgendwelche geheime
Aktion des Mediums wieder zu einem materiell existierenden Ganzen
zusammengefügt zu werden. Er zerrte seine beiden Verteidiger an den Richtertisch
\or und legte jedem von ihnen, mit ihnen Kette bildend, einen Reifen
um den Arm, um dadurch dem Gerichtshof und dem Publikum die ganze
Ungeheuerlichkeit dieser Deutung des Reifenphänomens, das Sünner und
Bruck seiner Zeit bei Frau Vollhard erlebten, zum Bewußtsein zu bringen.
Er hat ja zweifellos recht: Dem gesunden Menschern erstand, auf den er
sieh immer wieder berief, geht so etwas sauer ein. Aber dieser gesunde Menschenverstand
ist ein höchst relativer und sich von Stufe zu Stufe entwickelnder
Begriff und Wert, und überall da recht schlecht zu brauchen, wo es sich
um die Entdeckung \on Neuland handelt. Gegen Tatsachen ist jeder Widerstand
aussichtslos und lächerlich. Gustav Meyrink hat eine geistreiche kleine
Skizze geschrieben, die er „Das Automobil" betitelt. Ein junger Ingenieur,
Begründer und Inhaber einer Autofirma, fährt bei seinem alten Mathematikprofessor
vor, der die Entwicklung der letzten Jahre, den Siegeszug des Autos
vollständig verschlafen hat. Er spricht von seinem Auto, begegnet aber bei
dem Alten dem lebhaftesten Widerstand. „Ein Auto kann es nieht geben, denn
die Formel, die jedes unmündige Schulkind begreift, die bekannte Formel beweist
ja..Und er schnarrt seine Formel her. „Aber das Auto steht doch vor
der Tür. Ich bin von Florenz bis Greifswald gefahren." „Unmöglich. Sie vergessen
die Formel, lieber Freund^ Dieser Professor heißt Albert Moll.

Moll rühmte sich im Prozeß zu wiederholten Malen seiner internationalen
Beziehungen und äußerte sich dabei etwa in dem Sinne, daß er sich der
in Deutschland heute grassierenden okkulten Seuche wegen dem Ausland gegenüber
schäme. Er braucht sich darüber keine Gedanken zu machen. Denn leider
ist die Seuche anderwärts schon erheblich früher ausgebrochen als bei uns
und hat in anderen Ländern auch erheblich großzügigere Formen angenommen.
England, Frankreich, Italien, waren uns noch vor zwanzig Jahren auf diesem
Gebiet ganz beträchtlich voraus, und wenn es heute besser geworden ist, so ist
das im wesentlichen das Verdienst Schrenck-Notzings und des \iel zu früh
gestorbenen Ingenieurs Grunewald. Immerhin bleibt uns noch genug zu tun.
Eine Gesellschaft von der Art und dem Rang der englischen Society for psy-
chical Research haben wir bisher in Deutschland noch nicht*), und im Gegensatz
zum Ausland haben weite Kreise unseres Volkes heute noch keine Ahnung
von den gewaltigen Problemen, vor die uns die okkulte Phänomenik stellt.
Vor allem auch die Presse (oder doch ein großer Teil der Presse) gefällt

*) Es ist uns eine Genugtuung in diesem Zusammenhang nochmals daiauf
hinzuweisen, daß Deutschland der englischen Gesellschaft für 1926 wenigstens
den Präsidenten stellen darf: Prof. Dr. Driesch, Leipzig.


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