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Vom Tage.

Kriminalpolizei, Kriminaltelepathie und Parapsychologie.

Offener Brief an Herrn Regierungsdirektor Dr. Weiß, Leiter der

Kriminalpolizei von Berlin.

Hochgeehrter Herr Regierungsdirektor!

Ihren Neujahrsaufsatz in der „Voss.u: „Hellseher und Kriminalpolizei" habe
ich mit Interesse und, ich kann auch sagen, mit einer gewissen Genugtuung
gelesen, denn es scheint mir danach zwischen Ihrer amtsoffiziellen Auffassung
und dem Standpunkt der Vorkämpfer für die wissenschaftliche Anerkennung
des okkulten Tatsachengebiets nicht nur keine unüberbrückbare Kluft, sondern
sogar eine weitgehende Uebereinstimmung zu bestehen.

Uebereinstimmung insofern, als Ihre abschätzige Meinung von den praktischen
Erfolgen und der eventuellen Gefährlichkeit berufsmäßiger Kriminaltelepathen
— seien es echte, eingebildete oder simulierte Medialitäten — im
wesentlichen von uns geteilt und Ihr Versprechen, in Zukunft jedes auftauchende
kriminaltelepathische Phänomen unter fachwissenschaftlicher Beihilfe
untersuchen zu lassen, mit Freuden begrüßt wird.

Andererseits meinen wir wohl Verschiedenes, und um diese Verschiedenheiten
aufzudecken, bedarf es einer Trennung der Begriffe, die sich unter dem
Sammelwort „Okkultismus" verbergen. Die meisten verstehen darunter jenes
Zerrbild, ein Konglomerat von Betrug und Selbsttäuschung, Aberwitz und Aberglauben
, als welches das Okkulte infolge einer pfuscherischen und kritiklosen
Mitlauferschaft und ferner infolge der Darstellungsweise seiner geschworenen
Gegner erscheint. Man verwechselt hierbei Person und Sache: das okkulte
Tatsachengebiet und seine Anhänger, und von letzteren wiederum sieht man
nur den unerwünschten kritiklosen Flügel Jede Bewegung politischer, sozialer,
ethischer oder weltanschaulicher Natur zieht einen derartigen Kometenschweif
hinter sich her, ohne daß man deswegen zu einer abschätzigen Kritik am
Ganzen oder gar an der zugrunde liegenden Idee berechtigt wäre. Falsche
Perlen beweisen nichts gegen die Existenz echter Perlen; betrügerische, vorgetäuschte
oder eingebildete Medialität nichts gegen echte Medien oder gar
gegen die Tatsächlichkeit okkulten Geschehens überhaupt. Verbrecherische
oder schwachköpfige Vertreter eines Standes berechtigen nicht, den Stab über
den ganzen Stand zu brechen. Aber ganz von den Vertretern abgesehen,
erscheint auch der abstrakte Begriff des Okkulten unter vier ganz verschiedenen
Aspekten: 1. Okkultismus als rein empirisch gefaßtes naturwissenischaft-
liches Experimentalgebiet, wie ei von der neuzeitlichen Parapsychologie verfochten
und gepflegt wird (worüber man sich unter Männern wohl wird einigen
können); 2. Okkultismus als Weltanschauungsfrage, als Schlüsselproblem im
Kampf zwischen der monistischen und dualistischen Auffassung, welche Prinzipien
mit dem Ausgang des Anerkennungsstreites stehen und fallen (hier
erfolgt der Kampf vielfach, ganz besonders aber von gegnerischer Seite, in
scholastisch-dogmatischer, affektgebundener Form, die die Wirklichkeit im Sinne
des gewünschten Endeffektes unwillkürlich umbiegt); 3. Okkultismus als Religionsersatz
, Glaubenssache, subjektives Gefühlserlebnis (Offenbarungsspiritismus,
Theosophie, Geheimlehren usw.) und 4. der sogenannte Pseudo-Okkultismus
als teils varietemäßige, teils bewußt oder unbewußt betrügerische Abart der
Taschenspielerei, der teilweise in Verquickung mit echten Phänomenen speziell
bei Berufsmedien auftritt, und der als Kampf- und Tummelplatz der affektmäßigen
Gegner dazu dient, den echten Okkultismus (wegen seiner Gefährlichkeit
für das monistisch-materialistische Dogma!) totzumachen.

In unserer Auseinandersetzung, Herr Regierungsdirektor, handelt es sich
nur um den Experimental-Okkultismus, und um hier nicht in den
Fehler der Vermengung zu verfallen, dürfen wir die Frage nicht so stellen: „Ist
Verbrechensaufklärung durch Telepathie oder Hellsehen wissenschaftlich nachgewiesen
oder nicht?", denn diese Frage kann insofern verneint werden, als
kriminaltelepathische Experimente überhaupt noch nicht systematisch und wissen-


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