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Zeitschrift für Parapsychologie. 3. Heft. (März 1926.)

schaftlicli angestellt worden sind, und /war eben mangels Mitwirkung
der Kriminalpolizei. Vielmehr ist stets nur aktenmäßige oder gerichtsnotorische
nachträgliche Rekonstruktion dilettantisch angestellter Versuche erfolgt
, was natürlich vom wissenschaftlichen Standpunkt aus als exakter Beweis
im Einzelfall nicht gelten kann. Nur wo es möglich ist, ein großes Material
von Einzelfällen durchzuarbeiten, kann sich — nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung
— als Gesamtresultat der zutage getretenen Einzel-
phänomene der Beweis für telepathische Fähigkeiten ergeben, ohne daß damit
«er Brauchbarkeitsbeweis erbracht wäre.

Wir müssen vielmehr drei Unterfragen stellen:

1. Sind Telepathie und Hellsehen, also Wahrnehmung subjektiver und objektiver
Vorgänge unter Ausschaltung des physiologischen Sinneswegs, wissenschaftlich
erwiesene Tatsachen? Wenn ja:

2. Gibt es eine Kriminaltelepathie, d. h. eine außersinnliche, nachträgliche Wahrnehmung
kriminalistischer Vorgänge und Zusammenhänge? Wenn ja:

3. Ist diese Kriminaüelepathie in Händen der berufenen Stellen ein wirksames
und brauchbares Hilfsmittel (selbstverständlich nur Hilfsmittel, wie Daktyloskopie
oder Polizeihund) zur Verbrechensaufklärung?

Die erste Frage, Herr Regierungsdirektor, muß unbedingt mit Ja beantwortet
werden. Die Frage der Bewiesenheit hat mit subjektiver Ueberzeugung
nichts mehr zu tun, sondern ist eine objektive Wissenstatsache geworden, was
Ihnen bedeutendste Gelehrte aller Länder und Fakultäten bezeugen werden.
Nur die Skepsis der Ignoranz oder die Skepsis auf Grund gegenteiliger dogmatischer
Bindung kann diese Tatsache noch leugnen.

Demgemäß muß die zweite Frage gleichfalls bejaht werden. Es gibt
natürlich telepathische Verbindungsmöglichkeiten sowohl zu Tätern und Mitwissern
(Abwesenheits- bzw. Tätertelepathie) als auch zu den ermittelnden
und versuchsanwesenden Personen (Abwesenheits- oder Verdachtstelepathie),
und zwar vermag s ch diese auf bewußte wie auf unterbewußte Vorgänge zu
erstrecken. Und ebenso gibt es hellseherische Brücken in Richtung auf Dinge
oder Vorgänge, die keinem lebenden Menschen bekannt sind.

Die dritte und wichtigste Frage kann noch nicht beantwortet werden, weil
sie eben noch gar nicht von berufener Seite geprüft worden ist. Und die
Initiative und Pflicht zur Nachprüfung, Herr Regierungsdirektor, liegt nicht so
sehr in unserer a's in Ihrer Hand. Und da Sie sich zu ihrer Uebernahme
unter Zuziehung von Fachwissenschaftlern bereit erklärt haben, so darf ich mir
— a's Experimentalv ei treter der Parapsychologie — einen fachmännischen Rat
erlauben.

Die Nachpiüfung etwa auftauchender kriminaitelepathischer Phänomene ist
nicht das Entscheidende, sondern nur ein erster Schritt. Derartige offizielle
Nachprüfungen, wie sie heutzutage gehandhabt werden, enden auch meistens mit
negativen Resultaten, weil man sich zur Prüfiug derjenigen Fachgelehrten bedient
, die man nur als geschworene Gegner des gesamten okkulten Gebiets
bezeichnen kann, die also kein Interesse daran haben, durch verständnisvolle
* Suggestivbeeinflussung die Medialität der Versuchspersonen zu heben und zu
aktivieren, sondern die gefühls- und prestigemäßig gerade an einem negativen
Erfo'g der Versuchsreihen interessiert sein müssen. Selbstverständlich ist bei
allen Versuchen Vorsicht, äußerste Genauigkeit und Skepsis — aber eben unparteiische
, wohlwollende, unvoreingenommene, rein verstandesgemäße Skepsis
— am Platze, und die durch solche kritische Einstellung etwa erwachsende
Irritation der Medien muß in Kauf genommen werden. Die gefühlsbetonte und
dogmatisch gebundene, aprioristische Skepsis gewisser Antiokkultisten wirkt
jedoch als so starker, phänomen hemmender Faktor, daß ein Experimentieren
in ihrer Gegenwart, noch dazu in Form eines „Entlarvungsgerichts", unmöglich
ist.

Wem es unmöglich ist, die wissenschaftlichen Feststellungen der Parapsychologie
anzuerkennen, wer das ganze Gebiet auf eine Taschenspielerfrage
zurückführt, der sollte sich nur mit dem Pseudo-Okkultismus befassen. Zum
Experimentator mit echten Medien ist er nicht geeignet. Gerade Taschenspielerei
kommt aber in der Kriminaltelepathie kaum in Betracht, denn die Tricks der
Varietetelepathen, ebenso das sogenannte Muskel- oder Gedankenlesen, die


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