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Kriminalpolizei, Kriminaltelepathie und Parapsychologie

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Siniiesüberempfindlichkeit und bewußtes Erraten spielen bei der Uebertragung
komplizierter Tatbestände keine Rolle; ebensowenig kommen hier Manipulationen
wie bei physikalischen Medien in Frage.

Echte Medien sind keine Automaten, die auf Einwurf einer gestellten Aufgabe
eine todsichere Lösung von sich geben. Es sind vielmehr äußerst empfindliche
, von unterbewußten Suggestionen und Autosuggestionen abhängige Instrumente
(vergleichbar etwa dem schaffenden Künstler, der auch nicht auf Kommando
und unter entwürdigenden Kontrollen produzieren kann), die nur in
der Hand des geübten und einfühlenden Experimentators ansprechen, in groben
und unmusikalischen Händen jedoch nicht nur versagen, sondern sogar zerbrechen
! Es ist eine der Aufgaben der Berliner ärztlichen Gesellschaft für
parapsychische Forschung sowie der Deutschen Gesellschaft für wissenschaftlichen
Okkultismus, Verständnis für eine schonende, psychologische Experi-
mental- und Erziehungsmethodik zu wecken. Eine mediale Begabung ist eben
kein fait accompli, sondern lediglich ein Talent, eine Anlage, ein Rohstoff, so
daß die Frage der kriminaltelepathischen Leistungsfähigkeit abhängig davon
ist, in welcher Weise und von welcher Hand ein solches Medium „entwickelt"
und ausgebildet wird. Und neben der theoretisch-wissenschaftlichen Untersuchung
die Entwickelung von Medien — deren telepathische Befähigung bereits
außer Diskussion steht — zu brauchbaren Werkzeugen der Kriminalistik in die
Wege zu leiten, das, Herr Regierungsdirektor, ist die Aufgabe, vor die Sie
gestellt sind und zu deren Mitwirkung Sie sich berufener Fachmänner werden
bedienen müssen. Auch der bestveranlagte Hund ist noch lange kein Polizeihund
, solange er nicht dressiert ist, und wenn Sie sich für Ihre Zwecke Dresseure
anschaffen würden, die den Hund „verprügeln", so dürften Sie sich
nicht wundern, wenn die „Prüfung" des Hundes einen negativen Verlauf nimmt.

Soviel scheint mir festzustehen, daß Zukunftsmöglichkeiten in der Kriminaltelepathie
schlummern. Sollte es denn nicht möglich sein, daß die Kriminalpolizei
, Hand in Hand mit wirklichen Fachvertretern des okkulten Gebiets bzw.
der experimentellen Parapsychologie, bessere Ergebnisse zutage fördert als der
bisherige Dilettantismus? Man darf natürlich seine Erwartungen nicht zu hoch
spannen. Eine Panacee, die Kriminalisten, Polizeiorgane, Untersuchungsrichter
und Staatsanwalt überflüssig macht und den Verbrecher gefesselt auf den
Tisch des Hauses zwecks Aburteilung auf Kommando niederzulegen vermag
— wie ein Gutachter es als Vorbedingung für seine „Anerkennung" wünschte —
wird die Kriminaltelepathie niemals werden. Sie wird immer nur Fingerzeige
und Indizien liefern, die im Rahmen des gesamten kriminalogischen Materials
sinngemäß und kritisch zu verwerten sind. Für Mißgriffe der Polizei oder des
Publikums, die durch Kritiklosigkeit gegenüber telepathischen Mitteilungen entstehen
, kann der Telepath nicht verantwortlich gemacht werden. Solche
Pfuschereien entstehen immer dann, wenn die berufenen Instanzen eine praktisch
oder wissenschaftlich wichtige Angelegenheit nicht selber und unvoreingenommen
in die Hand nehmen oder sie sabotieren. Dann blüht der Weizen jeglicher Art
von Scharlatanerie, des Fanatismus und des Aberglaubens.

In berufenen Händen wird die Kriminaltelepathie niemals Unheil anrichten
und vielleicht sich zu einem Hilfsmittel entwickeln lassen, das den
entthronten Polizeihund »mehr als zu ersetzen in der Lage ist. Wäre dies Ziel
erreicht, dann dürfte ruhig die „private" kriminalfelepathische Tätigkeit verboten
werden. Daß auch hier die vorbildliche Berliner Kriminalpolizei unter
ihrem verdienten und erfreulich unbureaukratischen und für alles Neue zugänglichen
Leiter ihre Pflicht gegen die Oeffentlichkeit erfüllen möge, das ist mein
Neujahrs wünsch.

Genehmigen Sie, verehrter Herr Regierungsdirektor, den Ausdruck meiner
vorzüglichen Hochachtung.

Charlottenburg, Januar 1926. Dr. med. Walther Kröner.

Anm. Der Brfef ist die Erwiderung auf einen Aufsatz des Herrn Dr. Weiß, in dem dieser vor
der Kriminaltelepathie warnt. Noch nie habe die Kriminalpolizei etnwandfrei feststellen können,
daß e«n Kriminaltelepath auf tibernormalem Wege ein Verbrechen aufgeklärt habe. Als Autoritäten
um Kronzeugen werden bezeichnenderweise die Namen Moll und Hellwig genannt. Dr. Weiß verspricht
aber am Schluß die vorurteilslose Nachprüfung künftiger Fälle. Sowohl die Feuilleton- als
auch die Briefredaktion der Vossischen Zeitung haben sich geweigert, die Krönersche Entgegnung
abzudrucken. Die Schriftleitung


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