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Lomer: Ein komponierendes Medium.

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Nereide, Die Gefilde der Seligen." Großes Geschick auch für Handarbeiten
. Gar keine Neigung für Küche und Wirtschaft, auch nicht für
Kinder. „Ich komme mir," schreibt sie, „manchmal direkt unweiblich vor."

Sie hat eine gründliche musikalische Ausbildung auf dem
Sternschen Konservatorium in Berlin genossen, war sehr begabt
und die Lieblingsschülerin ihres Lehrers. Sie ist in Theorie und Harmonie
gründlich durchgebildet und übrigens bis zum doppelten Kontrapunkt gekommen
. Eine Komposition hat sie in der ganzen Ausbildungszeit nicht geschrieben.
Das entscheidende Jahr in dieser Richtung war 1922, entsprechend ihrem
4i. Lebensjahre oder — astrologisch gesprochen — einem viertel Neptun-
Umlauf. „Wir kamen von Bromberg nach Landsberg, kurze Zeit darauf wurde
ich in spiritistische Kreise eingeführt und dadurch ist's gekommen. Ich bin
heute nicht mehr für Spiritismus, betreibe ihn seit Jahren
nicht mehr, aber ich muß die Wahrheit bekennen: Der Spiritismus war der
Anstoß — es wurde dadurch etwas in mir wach!"

Seit 1922 also komponiert sie, und zwar auf ganz seltsame Art. Sie gerät
in einen Zustand der Ekstase, in dem sie sich außer sich selbst, d. h.
in eine andere Daseinssphäre entrückt fühlt. Anfangs war während dieser Vorgänge
das Tagesbewußtsein völlig erloschen, neuerdings bleibt
es erhalten, und sie befindet sich während des „Austritts", wie sie selber
diesen' Zustand nennt, in einem völlig wachen oder doch vermeintlich wachen
Zustand, in welchem ihr die künstlerischen Schöpfungen auf die gleich zu
schildernde Art „gegeben" werden. Sie spielt bei diesen musikalischen Visionen
also eine durchaus passive Rolle, ist nur Empfangsorgan, die Verstandestätigkeit
bleibt völlig ausgeschaltet.

Aus eigenem Willen vermag sie sich nicht in den Zustand zu versetzen, ist aber
wohl in der Lage, ihn sofort durch einen Willensakt zu beenden.
Sobald sie den Willen in Bewegung setzt, stocken die visionären Wahrnehmungen
. Immer hat sie das Gefühl, nicht zu lange in dem Fremdzustand verweilen
zu dürfen, sondern hat nach gewisser Zeit deutlich die Empfindung: Jetzt
mußt du zurück!

Die Entrückung geschieht in der Regel ganz plötzlich, überwiegend
in den Vormittagsstunden. Zuweilen schon in aller Frühe, etwa um 4 Uhr
morgens. Die Zeit der besten Leistung pflegt jedoch von 9 bis 10 Uhr morgens
zu liegen. Zuweilen überfällt sie der Zustand mitten in einer anderen
Beschäftigung. Einmal z. B. während des Notenschreibens, also einer
Tätigkeit, die viel Aufmerksamkeit verlangt. „Ich saß und schrieb Noten ab.
Ganz mechanisch stand ich plötzlich auf und spielte dieses Stück (einen
Gesdur-Walzer) ohne jede vorherige Anlage. Ich war doch vollständig mit
dem Notenschreiben beschäftigt, und da heißt's aufpassen — woher kam
das Stück?!"

Von einem Trancezustande ist dabei, wie die Künstlerin ausdrücklich betont
, gar keine Rede. Sie ist über Wesen und Begriff solcher Trancezustände
noch von ihrer spiritistischen Periode her wohl unterrichtet und lehnt sie
energisch ab. Aber, so drückt sie sich aus1, „es ist etwas ganz Automatenhaftes
mit den Fingern."

Interessant und recht verschieden ist nun die Art und Weise, wie ihr die
musikalische Inspiration nahegebracht wird. Einmal spielt sie die Musik
geistig oder unmittelbar und nimmt dann die Erinnerung mit in den Alltags-


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