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Zeitschrift für Parapsychologie. 5. Heft. (Mai 1926.)

schaffenen Werke nicht etwa theoretisch durchgearbeitet werden. „Ich kehre
mich überhaupt nicht an die ganze Theorie. Ich schreibe die Komposition auf,
und sie stimmt doch.'* Die Harmoniegeselze wirken sich also automatisch aus,
unter Ausschaltung oder Umgehung jeder bewußten Mithilfe. Gleichwohl ist
sich die Schöpferin selber klar, daß sie ohne die erhaltene vortreffliche musikalische
Durchbildung diese Begnadung vielleicht kaum in solcher Vollendung
erleben würde. Die vorauf gegangene Fachschulung hat also erst das Werkzeug
geschaffen oder doch entwickelt, dessen sich die im jenseitigen
Bewußtseinszustande wurzelnde Schöpferkraft sodann im höchsten
Sinne zweckbewußt bedient.

Das ganze hier entworfene Bild ist in der Tat m. E. so außergewöhnlich,
daß es die ausführliche Wiedergabe, schon im Interesse einer möglichst reichhaltigen
und einwandfreien Kasuistik derartiger Kunstschöpfungsvorgänge vollauf
\ erdient. Es liegt in der Tat der seltene Fall einer genialen musikalischen
Inspiration \or, die in ihrem Ablauf zahlreiche Anklänge an bereits bekannte
andere psychologische Erscheinungen, teils spiritistischer, teils mediumislischer
Art aufweist und der Allgemeinheit der Fachforscher zugänglich gemacht
werden mußte.

Jeder musikalische Leser, der sich für die klangschönen Gaben der Künstlerin
interessiert und ihr mithelfen will, breiteren Kreisen aus diesem Schatze
geben zu können, lasse sich das soeben ausgedruckte erste ihrer Werke, den
„Tempeltanz" kommen (Uranus-Musik-Yerlag, Landsberg a. d. Warthe, Anekerstraße
5, III, Preis M. 2.—, nebst Porto), er wird gewiß nicht enttäuscht werden.

Ich habe den „Tempeltanz", wie für kritische Leser bemerkt sei, übrigens
dem Berliner Musikfachmann Prof. Siegfried Ochs vorgelegt, der diese Erstkomposition
für ein ,.Nettes Stückchen" erklärte, „das in seinem korrekten Satz
eine gute Ausbildung, in seinem thematischen Material eine Begabung >on
kleinem Ausmaß verrät." „Das gewollt Orientalische," heißt es weiter, „ist
nichts weniger als originell. Es ist nur eine Kopie ähnlicher koloristischer
Effekte bei Rubinstein, Verdi, St. Saens u. a."

Der Berliner Musikkritiker Dr. Fritz Stege dagegen läßt sich gar dahin
vernehmen, „daß gerade die fehlerhaften Akkordfortschreitungen, üble Quintenparallelen
im /Tempeltanz* darauf schließen lassen, daß der Ursprung im
Medialen zu suchen ist, nicht im normalen Wachzustande. Denn wenn die
Dame theoretische Studien betrieben hat, so hätte der Verstand unmöglich
solche rehler durchgehen lassen."

Das mag alles richtig sein. Die Künstlerin betont selber ausdrücklichst
immer wieder, daß sie an den Kunstschöpfungen — wohl aus Achtung vor dem
seelisch „jenseitigen" Ursprung — nachträglich nichts ändere, sondern sie s o
gebe, wie sie ihr gegeben wurden. Es ist ja auch eine offene Frage, ob die
Kompositionen durch solche nachträgliche verstandesmäßige Verbesserungen
wirklich gewinnen würden. So manches Neue, das später aus vollen Zungen
gelobt wurde, ist ja anfangs einen schweren Weg gegangen und hat sich mit
der landesüblichen Kritik mehr oder weniger scharf auseinandersetzen müssen.
Ich, der selber musikalisch bin und viele Jahre ein Instrument gespielt habe,
halte dafür, daß beide oben angeführten Kritiker der in ihrer ganzen Art
durchaus neuartigen Komponistin nicht gerecht zu werden vermochten, weil sie
über kleinen schulmäßigen Schwächen das wertvolle Neuartige und die schwung-


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