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Buchbesprechungen.

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drücke erzielt wird, da wir sonst Gefahr laufen, daß jeder Autor eigene Bezeichnungen
benützt.

Nach einer guten historischen Uebersicht und einem längeren Abschnitt über
die Versuchspersonen und die Methoden der parapsychologischen Forschung geht
Sudre über zur Betrachtung der einzelnen Phänomengruppen, nämlich der psychologischen
und der physischen Phänomene. Ein letzter Abschnitt, für uns der
interessanteste, bespricht die philosophischen Probleme. Sehr energisch bekämpft
Sudre die spiritistische Hypothese, wenigstens soweit sie eine reale Besitzergreifung
des medialen Organismus durch Geister Toter behauptet oder gar bereit ist,
aus den Botschaften der angeblichen Geister religiöse und moralische Belehrungen
zu ziehen. Die meist kümmerlichen Botschaften der Geister, ihre seltsamen Behauptungen
über das Jenseits, das Mißlingen des entscheidenden Versuchs, den Inhalt
eines hinterlassenen Dokuments durch den Geist seines verstorbenen Verfassers
wiedergeben zu lassen, sowie zahlreiche andere Ueberlegungen, machen
diejenige spiritistische Richtung, die das wirkliche Auftreten Toter in spiritistischen
Sitzungen behauptet, recht problematisch. Alle spiritistischen Phänomene lassen
sich erklären durch Aenderungen der Persönlichkeit des Mediums verbunden mit
hochgradiger Hellsichtigkeit. Diese Deutung wird dadurch wahrscheinlich, daß
sich das „spiritistische" Phänomen in seine zwei Komponenten zerlegen läßt; es
gibt Versuchspersonen, die nur Persönlichkeitsänderungen ohne Hellsichtigkeit aufweisen
, und andere, die bei größter Hellsichtigkeit ihre normale Persönlichkeit bewahren
und dabei oft Mitteilungen machen, für die eine spiritistische Deutung nicht
in Frage kommt. Das scheinbar spiridstische Phänomen steht so in der Mitte
zwischen zwei sicher nicht spiritistischen Grenzfällen, deren Synthese es zugleich
darstellt. Doch kommt auch Sudre, Bergsons Gedanken weiterführend, schließlich
zu einer Hypothese, die das Ueberleben wenigstens eines Teils der Seele voraussetzt
; er sagt: „da das Experiment uns keinerlei Unterschied in der hellseherischen
Funktion zeigt, ob es sich aut eine lebende oder eine tote Person bezieht, so heißt
dies, daß das Gedächtnis dieser Person weiterlebt. ... Wir sind damit sehr weit
von der spiritistischen Hypothese entfernt. Dieses überlebende Gedächtnis ist zwar
offenbar kein ,totes Seelisches*, keine Sammlung außei halb des Raumes aufgehäufter
Klischees, doch ist es auch keine lebendige Persönlichkeit. Das Leben, das man
einem solchen Gedächtnis zuschreiben darf, ist ein unbewußtes somnambules Leben,
in dem der Automatismus des Gedächtnisses allmächtig ist Der ,Wille zur Personifikation
', den William James hinter dem spiritistischen Phänomen bemerkt,
darf nicht der überlebenden Persönlichkeit zugeschrieben werden, sondern dem
Medium, das die Wiederauferstehung des Toten bewirkt. Der Verstorbene verkörpert
sich nicht, er wird verkörpert." Damit nähert sich Sudre der Auffassung,
die Frau Sidgwick in ihrer großen Arbeit über Frau Piper (Proceedings S. P. R.,
Bd. 28) vertreten hat, daß nämlich alle von Frau Piper verkörperten Toten Unter-
persönlichkeiten Frau Pipers sind, die gelegentlich in telepathischer Verbindung
mit den Toten stehen, wobei diese, nach Sudre, ganz passiv bleiben.

Mit seiner Annahme, einer nur passiven Mitwirkung der Toten in spiritistischen
Sitzungen, dürfte Sudre in den meisten Fällen, in denen überhaupt die Mitwirkung
eines Toten in Frage kommt, das Richtige treffen. Trotzdem scheint mir die Annahme
eines Ueberlebens nur des Gedächtnisses ohne eine demselben übergeordnete
Persönlichkeit sehr gewagt; wahrscheinlicher ist, daß, wenn schon das Gedächtnis
den Tod überdauern sollte, dies auch für die Persönlichkeit gilt, um deren
Gedächtnis es sich handelt. Dies würde nicht hindern, daß der den Toten scheinbar
verkörpernde Hellseher die dazu nötigen Daten aktiv aus dem Gedächtnis des
Toten gewinnen würde, der sich seinerseits passiv verhielte. Wenn wir die Toten
in irgendeiner Form weiterleben lassen, ist in seltenen Fällen auch ein freilich sehr
beschränktes aktives Weiterwirken derselben in unserer Welt möglich; gewisse
Spukerscheinungen, die jahrelang ein Haus beunruhigen, obgleich die Bewohner
mehrfach wechseln, machen dies wahrscheinlich. Selbst Sudre hält die Annahme
für statthaft, daß ein von einem Sterbenden geschaffenes teleplastisches Phantom
in gewissen Fällen, ein Leben, unabhängig von demjenigen seines Schöpfers, bewahren
kann. Sollte dieses Phantom dann nicht irgendwie mit dem überlebenden
Gedächtnis des Toten in Zusammenhang stehen?

Wenn ich noch sage, daß Sudre zur Erklärung des Hellsehens in die Zukunft
mit der Relativitätstheorie die Zeit als eine vierte Dimension des Raumes betrachtet


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