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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1926/0365
346 Zeitschrift für Parapsychologie. 6. Heft. (Juni 1926.)

\erleidigt, und zwar in einem bisher unbekannten Ausmaß,1) weil diese Hypothese
sieb seiner Meinung nacb „widerspruchslos in unser naturwissenschaftliches
Weltbild einordnen läßt, ohne daß man zu spiritistischen und sonstigen
metaphysischen Annahmen gezwungen wäre, die den jahrhundertealten Bau
unserer Erfahiungswissenschalt zerstören würden." Es laß' sich (nebenbei; nicht
einsehen, was ein naturwissenschaftlicher Vorgang (Telepathie) mit einer
Lehre (Spiritismus) hier zu tun hat. „Wenn er (ß.) bei einem Phänomen
die Möglichkeit der telepathischen Erklärung nachgewiesen hat — bemerkt
Prof. Bleuler in seiner Besprechung2) — so ist es ihm nicht mehr okkult, sondern
durch unser gewöhnliches Wissen versländlich." Die Hypothese des Hellsehens
vei wirft B. gänzlich: Solche Fakla wären natürlich wissenschaftlich
nicht mehr zu deuten, sie würden den Durchbruch ins Metaphysische rechtfertigen
." Der Verf., vollständig im Bann seiner einseitigen Einstellung, übersieht
alles, was gegen seine Auffassung spricht: was sich nicht in das
Prokrustesbett der telepathischen Hypothese einzwängen läßt, wird einfach
durch „natürliche" Ursachen „erklärt". „Es scheint mir — sagt Prof.
Bleuler - Verf. ziehe die Grenze zwischen Mystisch, .Metaphysisch', Okkult
einerseits und Natürlich' andererseits am falschen Orte/'

Wir haben uns — erste Grundregel aller Forschung — hier lediglich von
den Tatsachen, von der Gesamtheit aller Tatsachen leiten zu lassen.
Unmöglich können wir den Fortschritt unserer Erkenntnis davon abhängig
machen, ob eine Erfahrungstatsache sich ,,widerspiuchslos in unser naturwissenschaftliches
Weltbild" einfügen läßt. Der Forscher weiß, wie lückenhaft,
irreführend und ständigem Wechsel unterworfen unser sog. „naturwissenschaftliches
Weltbild" ist, zum Teil eine Modesache wie alles andere, wie die Geschichte
der Forschung lehrt.3)

Telepathie läßt sich restlos aus unserer gewohnten Naturerkenntnis heraus
verstehen." (B. S. 108.) B. begründet diese auffallende, von allen bisherigen
Auffassungen abweichende Ansicht damit, daß ja Telepathie nur eine Ueber-
mittlung >on Unterbewußtsein zu Unterbewußtsein sei, also nichts Neues darstelle
: ,,Was eine andere Person in ihrem Unterbewußtsein trägt, kann sie auf
eine andere übertragen." (S. 2C9.) In dieser Auffassung liegt die Haupt-
srhwäche des sonst so verdienstvollen Werkes: sie steht nicht nur in schroffem
Gegensatz zu der Aisicht wohl aller hervorragenden Forsche^ auf diesem
Gebiet, sondern sie übersieht merkwürdigerweise die Hauptsache, den funda-

!) Einen prophetischen, z. B. den Unglücksfall einer anderen Person vorausschauenden
Traum erklärt der Verf. nicht durch Hellsehen, sondern er bespricht
die Möglichkeit, daß dieser „hellseherische" Traum telepathisch geradezu
das Unglück der im Traum betroffenen fremden, davon suggestiv beeinflußten
Person herbeiführen könnte. Das dürfte alles übertreffen, was man bisher
unter den Begriff der „Telepathie" einzuordnen pflegte.

2) Referat von Prof. E. Bleuler über Baerwalds Buch Münch Mediz
Wochenschrift Nr. 43, 1925, S. 1849.

*) Bei Baerwald heißt es: „Die logische Forderung der Denkökonomie verlangt
, daß wir die Erklärungsgründe nicht zwecklos vermehren und, soweit
möglich, mit den naheliegenden, gut bekannten, natürlichen auskommen;... die
Zurückführung des Unbekannten auf Bekanntes wird verfehlt (S. 108)... Ideal
unseres Erkenntnisstrebens ist eine einfache, harmonische, erfahrungsnahe Weltanschauung
, nicht ein Bündel simpel extemporierter Einzelerklärungen." (S. 297.)
Leider ist die Natur nicht so gefällig, sich an unsere logischen Forderungen zu
kehren, und so bleibt das Bekannte ebenso unerklärlich und unerklärt wie das
Unbekannte. — Es ist ein Spiel mit Worten.


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