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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1926/0491
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Zeitschrift für Parapsychologie. 8. Heft. (August 1926.)

denn wir wissen ja aus der reichen Literatur über die Psychometrie, daß es für
das psychometrische Erkennen durchaus nicht gleichgültig ist, ob ein Gegenstand
„Geschichte", „Beziehungen" hat, ob er mit irgendwelcher „Emotion"
in Verbindung gestanden hat, oder ob er lediglich ein belangloses, mit keiner
menschlichen Psyche irgendwann einmal näher verknüpft gewesenes Objekt
darstellt. Auch meine Erfahrungen in den Versuchen Tischners mit seinem
Medium H. und in den von mir mit Frau N. durchgeführten Untersuchungen,
lassen den Gedanken an eine Art „seelischer Imprägnierung" von Objekten
immer wieder wach werden.

Wir kommen nun zu der wichtigen vierten Frage, auf welchem Wege die
Leistungen Strohmeyers im Erfühlen zustande kommen. Prüfen wir an Hand
der Versuche die einzelnen Möglichkeiten:

Zunächst käme die \on den Psychologen zur Deutung derartiger Erscheinungen
mit Vorliebe herangezogene Hyperästhesie in Frage, und zwar wohl
nur als Hyperästhesie des Tastsinnes, da die Schriften durch die Verhüllung
nachweislich unsichtbar gemacht waren, Str. die Objekte zudem nie näher ansah
und sie meist im abgedämpften Lichte sitzend prüfte. Andererseits aber
muß man bei einem so vielseitigen Künstler, wie Str., der sowohl graphisch wie
als Plastiker Ausgezeichnetes leistet, der ferner als Graphologe von kombiniert
analytisch-intuitiver Richtung offene Schriften beim Beurteilen mit Vorliebe
leicht abtastet, an eine Hyperästhesie des Tastsinnens denken. Kann nun die
Annahme einer übermäßig feinen Ausbildung des Tastgefühls der Fingerspitzen
die Leistungen Str.s erklären? Sicherlich darf man prinzipiell bei den Versuchen
mit im Dunkeln offen vorliegenden Graphiken an das Wirken einer
Hyperästhesie denken. Wie kommt es jedoch, daß Str. keinen Unterschied
im Kontakt zwischen verhüllter und unverhüllter Vorlage empfindet, daß die
Leistungen an der offenen Vorlage sich nicht steigern, daß der Eindruck der
feinen handschriftlichen Signatur der einen Graphik (3i. Versuch) zur Wiedergabe
eines ganz typischen, aber im menschlichen Leben äußerst sellenen
Wesenszug des betr. Künstlers führt? Wollte man bei Objekten in dichten Umhüllungen
oder bei Gegenständen in Pappschachteln von der Hyperästhesie als
dem Weg des Erkennens sprechen, so wäre das doch völlig absurd. Und bei
Versuch 46 erfühlt Str. am verschlossenen Brief das Wesen des Schreibers,
während ihm die offen vorliegende Zuchtschrift nichts zu sagen hat.

So können wir die Hyperästhesie nicht nur als alleinige, sondern überhaupt
als wesentliche Ursache für die festgestellten Leistungen ausschließen und
kämen nun zur Frage der Kryptästhesie, d. h. des auf unterbewußtem Wege
erfolgenden Erkennens der äußeren Form verschlossener Objekte. Bei der Allgemeingültigkeit
dieser Ursache müßte also Str. unterbewußt die Art der
Schrift erkannt und ebenfalls wieder auf einer im Unterbewußtsein sich abspielenden
Analyse das Charakter- und Wesensbild des Schreibers geformt
haben, das dann sofort geschlossen oder in einzelnen, sich folgenden Teilstücken
in sein Oberbewußtsein trat. Von Kryptästhesie könnten wir also in den Fällen
sprechen, bei denen von Str., wie es mehrmals geschah, die Schriftzüge beschrieben
wurden oder wenn eine Graphik oder ein Gegenstand in den Umrissen
erfühlt wurde. Immerhin ist die reine krypiästhetische Deutung mit
ihren hypothetischen, eine fabelhafte analytische oder kombinatorische Gabe
des Unterbewußtseins voraussetzenden Zwischengliedern vom hellsehenden Erkennen
bis zur bewußten Wiedergabe doch recht kompliziert und gezwungen.


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