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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1926/0493
466 Zeitschrift für Parapsychologie. 8. Heft. (August 1926.)

wußtsein immer noch unter der Kontrolle des Oberbewußtseins, und nur starke
psychische Eindrücke, die seine Kritik, sein Künstlerempfinden gewissermaßen
frei passieren können, steigen auf und werden im Strohmeyerschen Sinne individuell
geformt wiedergegeben. So erklären sich uns auch die schwachen Ergebnisse
bei den Versuchen mit verhüllten Gegenständen. Aber darin liegt ja
gerade das Interessante, daß hier ein harmonisch ausgeglichener, allerdings
genial veranlagter Mensch als bedeutsame Seite seiner hohen Künstlernatur
ein über das gewöhnliche Maß hinausgehendes Einfühlungsvermögen zeigt,
das über die Intuition bis zum ausgesprochenen Hellsehen führt, und das in
ähnlicher Form wahrscheinlich noch bei vielen Menschen, vornehmlich intuitiv
arbeitenden Künstlernaturen, unerkannt und nach der experimentellen Seite
hin ungeweckt vorhanden sein wird. Wir stoßen hier durch unsere experimentellen
Versuche auf große Zusammenhänge zwischen Intuition, Inspiration und
reinem Hellsehen. Es ist für mich kein Zweifel, daß wir hier ein Beispiel
von Natursichtigkeit vor uns haben, denn Herr Str. erlebte an sich außerdem
noch eine ganze Reihe von mehr spontanen Fällen von Hellsehen. Diese Natursichtigkeit
, deren Bedeutung und Wandel in der Entwicklungsgeschichte der
Menschheit Dacque so eingehend schildert, zeigt sich hier in einem auf außersinnlichem
Wege erlangten Erkennen und Wissen \on Dingen, das bald stärker,
bald schwächer in Erscheinung tritt. Der Natursichtige erfaßt, erschaut die vorhandene
Gegebenheit, auch wenn sie sich uns sinnengebundenen Versiandsmen-
schen verbirgt; ohne bewußt suchen zu müssen, weiß er um sie. Ob er die
Gegebenheit als Brief einer sich ihm dabei in ihrer Wesenheit visionär zeigenden
Persönlichkeit direkt erkennt, ob er sie als Erinnerungsbild oder Vorstellung
aus meinem Unterbewußtsein schöpft, ob sein Wissen durch die Berührung
mit etwas unfaß- und unwägbarem Psychischem, das am Objekt haftet,
ausgelöst wird — darüber fehlen uns heute noch die nötigen Erfahrungen und
Kenntnisse. Daß aber Natursichtigkeit in jedem intuiliv-inspirativ wirkenden
Künstler turne enthalten ist, daß sie in ihrer höchsten und reinsten Form, in
unserer einseitig intellektuellen Menschheitsepoche allerdings äußerst seilen,
zum richtigen „kosmischen Bewußtsein" führt, steht für mich außer allem
Zweifel.

Nach all dem drängt sich mir die Frage auf, ob es überhaupt möglich sein
wird, auf dem bisher gebräuchlichen, experimentell analytischen Wege lief er
in das eigentliche Wesen des Seelischen Erfühlens einzudringen. Gewiß ist es
4 notwendig, zunächst einmal kritisch mit experimenteller Methodik die Erscheinungen
als solche rein herauszuschälen und mögliche Fehlerquellen zu erkennen
und auszuschließen, die in Betrug, unbewußter Täuschung, Autosuggestion
, Zufall usw. bestehen können. Wollen wir aber tiefer eindringen in
die ungemein feinen und so schwer zu fassenden psychischen Vorgänge, gegenüber
denen die Erscheinungen der Sinnesphysiologie gleichsam grob wirken,
so fürchte ich, daß wir uns durch einen übertriebenen schulmeisterlichen Exaktheitseifer
, durch ein pedantisches Ueberschätzen überkritischer Methodik die
Zugänge, die zu dem Reiche noch verborgener seelischer Mächte führen, selbst
verbauen. Wir können tausend Versuche mit dem Erfühlen verhüllter Objekte
machen und kommen doch keinen Schritt weiter, wenn wir nur einseitig am
nackten Ergebnis und den methodischen Maßnahmen haften bleiben, wenn wir
nicht unter dem lebendigen Eindruck des gesamten Erlebnisses eines Versuchsabends
selbst das tiefe Wesen der psychischen Vorgänge zu erfühlen suchen.


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