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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1926/0561
532 Zeitschrift für Parapsychologie. 9. Heft. (September 1926.)

sehen. Das Protoplasma1) als wichtigste Substanz der Zelle ist der wesentlichste
Bestandteil und gemeinsames Element aller lebenden Individuen, von den einfachst
gebauten einzelligen Infusorien bis zu den kompliziertest gebauten
höheren Organismen.

Während bei den mehrzelligen Pflanzen und Tieren durch die Differenzierung
©ine Arbeitsteilung unter den Zellen stattfindet, bildet das Protoplasma
der einzelligen Organismen ein zusammenhängendes Ganze, das alle Lebensverrichtungen
ausführt.

Als eine biologische Eigenschaft des Protoplasmas haben wir bereits die Zellteilung
, die Vermehrung und das Wachstum kennengelernt. Als eine weitere
wichtige Eigenschaft der lebenden Materie ist der Stoffwechsel anzusehen, der
in der fortwährenden Zersetzung und Neubildung von Protoplasma aus lebloser
Substanz besteht. Der Träger des Lebens besitzt noch die Eigenschaft auf
äußere Reize zu reagieren und die Fähigkeit, durch innere Veränderungen spontane
Bewegungen hervorzurufen. Selbst die Amöbe besitzt willkürliches Bewegungsvermögen
und l>ereits ihr müssen wir Gefühl, Vorstellung und einen
bewußten Willen zuerkennen, kurzum: „Mit der einfachst organisierten Amöbe
und ihren Lebenserscheinungen sind alle fundamentalen Probleme schon gegeben
und ein tieferes Eindringen in die allgemeine Lebensmechanik eines höheren
Organismus ist nicht möglich, so lange uns die der Amöbe noch unverständlich
ist" (2). Das Lebendige aber ist weder auf chemische noch physikalische
Vorgänge zurückführbar, und selbst Ernst Häckel muß bekennen, daß die
biologischen Eigenschaften der lebenden Substanz transzendent sind. E. du
Bois-Reymond stellt sogar „die Möglichkeit, psychische oder Bewußtsemszu-
stände auf chemisch-physikalische Vorgänge zurückzuführen, nicht nur für den
jetzigen Stand unserer Kenntnisse, sondern auch für alle Zukunft" (3) mit
einem schroffen Ignorabimus in Abrede. Es ist in der Tat der Chemie, trotz
ihrer bereits weit fortgeschrittenen Entwicklung nicht einmal gelungen, den
chemischen Bau des Protoplasmas aufzuklären. Das Protoplasma als Träger
der Lebenserscheinungen dürfte daher auch fernerhin eine geheimnisvolle, mit
transzendenten Fähigkeiten ausgestattete Materie bleiben. Alle mechanistischen
und monistischen Hypothesen zu ihrer Erklärung werden ebenso mißlingen, wie
bisher sämtliche materialistischen Erklärungsversuche der eigentlichen Lebens-
yorgänge Schiffbruch erlitten haben. Wir tappen heute genau so im Finstern
im Bereich des Lebens, wie wir es am Anfange der naturwissenschaftlichen Forschung
taten und wissen über das Wesen des Protoplasmas, des Bewußtseins,
des Gedächtnisses, der Reize und Reflexe nichts. Es sind Bezeichnungen für
Dinge, deren Verständnis uns bisher versagt blieb. Für die Erklärung irgendeines
Lebensprozesses, und sei es auch der allereinfachste, fehlt uns bisher jeder
Anhaltspunkt, weshalb namhafte Forscher zu vitalistischen Anschauungen gelangten
, und ein Kerner in seinem Pflanzenleben deshalb sagt: „Ich nehme
keinen Anstand, die mit den anderen nicht zu identifizierende Naturkraft, deren
unmittelbarer Angriffspunkt das Protoplasma ist, und deren eigentliche Wirkung
wir das Leben nennen, wieder als Lebenskraft zu bezeichnen." Seit Beginn
unseres Jahrhunderts gewinnt die Lehre von der Lebenskraft unter der
Bezeichnung Neovitalismus immer mehr bei den Biologen an Boden. Auch

*) In neuerer Zeit bezeichnet man den ganzen Inhalt der Zelle als Protoplasma
und nennt das Protoplasma der älteren Autoren Cytoplasma.




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