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Chiva: Erscheinungsformen der lebenden Materie.

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wir wollen an ihr so lange festhalten, bis es den materialistisch orientierten Gelehrten
gelingt, die lebende Materie ohne die Lebenskraft synthetisch darzu-*
stellen. Was jedoch niemand bestreitet, ist, daß die Kolloidchemie eine schärfere
Formulierung der biologischen Probleme und der physikalischen Zustands-
änderungen des Protoplasmas gestattet. Die Kolloidchemie vermag nicht allein
eine feinere Präzisierung der Lebenserscheinungen zu geben, sondern auch die
physikalischen Veränderungen des Protoplasmas teilweise zu erklären. Bevor
wir auf diese Formveränderungen näher eingehen, bedarf es einer näheren Betrachtung
der kolloidchemischen Beschaffenheit der lebenden Materie in ihrem
gewöhnlichen Aggregatzustande.

Das Protoplasma ist ein farbloses, disperses System, aus flüssigen und
festen Phasen bestehend. Man kann darin eine homogene Grundsubstanz und
eine dichtere farblose Masse unterscheiden. Letztere ist in Form eines stark
lichtbrechenden Netzes dem homogenen Bestandteil des Protoplasmas eingelagert
. Durch plötzliche Reizstöße zerfällt die lebende Materie in eine reine
Flüssigkeit und ein feines Maschenwerk. Das Protoplasma ist von einer weichen,
plastischen Beschaffenheit, die den Uebergang vom flüssigen zum festen Zustand
bildet. Es gehen ihr die Haupteigenschaften einer Flüssigkeit vollkommen
ab. So hat sie im Gegensatze zu den flüssigen Stoffen eine selbständige
Gestalt und läßt sich nicht in einem flüssigen Medium auflösen. Im,Wasser
oder wässrigen Lösungen verändert die lebende Materie wohl ihre Form, löst
sich aber infolge des netzartigen Zusammenhanges ihrer festen Bestandteile
nicht in dem sie umgebenden Medium auf. Das Protoplasma verhält sich dem
Wasser gegenüber so wie flüssiges Fett und wird vielfach als zähflüssig-schleimig
bezeichnet. Dem Lebensträger ist jener ganz eigentümliche Zwitterzustand
eigen, der weder flüssig noch fest zu nennen ist. Seine physikalischen Eigenschaften
sind „diejenigen eines hydratisierten Emulsoids von allen Stadien der
Viskosität, zwischen dem Werte einer normalen tropfbaren Flüssigkeit und dem
eines starren Gels mit den Eigenschaften fester Körper. Genau so wie eine
Gelatinelösung je nach der Konzentration und Temperatur alle Uebergänge
zwischen fest und flüssig zeigen kann, finden wir auch das Plasma in entsprechenden
Zwischenstadien" (4). Das Protoplasma hat eine im hohen Maße
veränderliche Konsistenz, und das Verwunderliche ist, daß es überhaupt nicht
einem stabilen Zustande zustrebt. Der große Wassergehalt der lebenden Materie
wird nicht als Dispersionsmittel, sondern als disperse Phase aufgefaßt. Das
Protoplasma ist also keine verdünnte Lösung, und nur die physikalischchemischen
Gesetze der hydratisierten Emulsoide haben für dieses Gültigkeit. Der
hohe Gehalt an Wasser erklärt die außerordentliche Elastizität der lebenden
Substanz, wie ja überhaupt die meisten Bestandteile organischen Ursprungs,
z. B. der Kautschuk, der großen Menge Flüssigkeit ihre elastische Beschaffenheit
verdanken. Je durchsichtiger die lebende Materie ist, desto zähflüssiger ist siä
zugleich. Eine Aenderung der Konzentration hat sogleich die verschiedenartigsten
, meist plötzlich erfolgenden Uebergänge aus dem flüssigen in den
festen Zustand zur Folge, von der schleimig-fadenziehenden Konsistenz bis zur
halbfest-elastischen. In der anscheinend formlosen schleimigen Protoplasmamasse
entstehen Strukturveränderungen. Es treten feste Bestandteile hervor,
die regelmäßige Anordnung und häufig Netzform besitzen. Die Strukturen
sind reversibel, sofern nicht Reize auftreten, wie mechanische Erschütterung,
Druck, Lichtschwingungen und plötzliche elektrische Spannungsänderungen,


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