Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1926/0580
Winterstein: Psychoanalytisch« Bemerkungen zum Thema Spuk.

551

spukhaften Wiederholung verrät sich aber nicht nur das Drängen der vom
Ueber-Ich1) der verstorbenen Person verurteilten Regungen, sondern auch, der
Druck des Schuldgefühls, das eine Entlastung durch das Geständnis anstrebt,
so daß man unter gewissen Umständen auch den Spuk wie das neurotische
Symptom als ein Produkt des Geständniszwanges2) bezeichnen könnte.
Der Spuk hört deshalb in so vielen Fällen nicht auf, weil eben der Inhalt des
unbewußten Geständnisses von den Lebenden nicht durchschaut wird. In
einem von dem amerikanischen Diplomaten Robert Dale Owen in seinem
Buche „The Debatable Land" berichteten Falle8) manifestiert sich die
Persönlichkeit einer diebischen Kammerfrau, die in einem alten Hause
zu spuken pflegte, bei einer auswärts veranstalteten spiritistischen Sitzung
und sagt ausdrücklich, der Wunsch, ihren Fehltritt zu gestehen, sei so
stark in ihr, daß er sie gegen ihren Willen zwinge, in dem Zimmer zu spuken,
das sie bei Lebzeiten bewohnt habe. Es scheint nämlich, daß die verstorbene
Person in vielen Fällen nur mit Hilfe eines Mediums imstande ist, ein direktes)
Geständnis (Verwandlung der Wiederholung in Erinnerung) abzulegen; die
vollständige Befriedigung des Schuldgefühls5) (Verzeihung seitens der geschädigten
Person, Auffinden eines versteckten Gegenstandes, insbesondere von
Geld, Verrichten einer bestimmten Handlung, Gebet u. ä.) bringt dann den
Ileilungsprozeß zum Abschluß und macht den Spukphänomenen ein Ende.
Man darf also vielleicht nach dem Gesagten mit aller gebotenen Vorsicht die
Vermutung aussprechen, daß sich in gewissen, anscheinend seltenen Fällen die
Tätigkeil der menschlichen Persönlichkeit unseren Sinnen noch einige Zeit nach
dem Aufhören der Lebenserscheinungen kundzugeben vermag. Ich möchte hierbei
mit 111 i g 6) an eine Disposition zum Spuk glauben, die wie die mediale
Veranlagung überhaupt vererblich zu sein scheint. Die Spukphänomene mit
ihrer monotonen, gleichsam automatischen Wiederholung einer und derselben
Handlung erwecken aber an sich eigentlich den Eindruck, daß es sich nicht
um eine Aeußerung der ganzen Psyche handelt7) sondern nur eines autonom
gewordenen Vorstellungskomplexts, einer fixen Idee,8) einer Zwangsvorstellung
, die zur fortwährenden Abfuhr und Realisierung durch die Spukerscheinungen
drängt. Daß in so vielen Berichten Geld eine Rolle spielt und
die spukende Intelligenz sich häufig auf boshafte, quälende Weise bis zur hart-

') Die Entmischung der Lebens- und Todestriebe im Sterben, das Freiwerden
der Todestriebe ist vielleicht eine der Ursachen der verstärkten Ansprüche des
Ueber-Ichs, von dem ja schon bei Lebzeiten die Hemmungen der Lebenstriebe
ausgehen.

2) Vgl. Th. R e i k: Qeständniszwang und Strafbedürfnis. Internationale Psychoanalytische
Bibliothek, Bd.* XVIII.

8) Zitiert bei B o z z a n o a. a. O., p. 154 f.

4) Eine ähnliche Rolle spielt in der Analyse der Analytiker.

5) Schuldgefühl und Straf bedürfnis decken sich nicht vollkommen; das Schuldgefühl
sucht nicht immer in der Strafe, im Sinne des Erfeidens von Schmerzen,
Demütigungen, Erniedrigungen usw., seine Befriedigung. Vgl. auch H. Nunberg
: Schuldgefühl und Straf bedürfnis. Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse
. Bd. XII, Heft 3, 1926. S. 3481.

n Illig, a.a.O., S. 265, 270, 302.

7) Man könnte daraus folgern, daß eben nicht die ganze Psjche uberlebt. Vgl.
dagegen die auf § 2 Anm. 2 mitgeteilte Deutung der Spuktatsachen, die die spiritistische
Anschauung bereits voraussetzt.

8) Schon du P r e 1 spricht von posthumen Monoideismen.


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1926/0580