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Zeitschrift für Parapsychologie. 10. Heft. (Oktober 1926.)
könnten: das okkulte Gebiet ist wie nur irgendeins der Geisteswissenschaften
— irrational und grübelndem Verstände, wie ich meine, allein nicht zugänglich
. Auch wer sein Leben lang mit dieser spröden Materie gerungen hat,
auch für den bleibt sie rätselhaft und widerspruchsvoll wie am ersten Tage.
Doch — muß nicht der Forscher streben, das Irrationale auf Rationales
zurückzuführen? Wie weil das gelingen wird, muß er in aller Bescheidenheit
der Zukunft anheimstellen. „Der Mensch ist nicht geboren — sagt Goethe —
die Probleme der Welt zu lösen, wohl aber zu suchen wo das Problem angeht,
und sich sodann in der Grenze des Begreiflichen zu halten."
Immerhin, wollen wir Antwort erhalten, müssen wir die Natur befragen
und befragen können; der Verzicht: „Und was sie dir nicht offenbaren
mag, das zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben'*, hat doch
nur bedingt Geltung. Daher können und wollen wir nicht auf das Experiment
verzichten, das allein die Fehlschlüsse und Irrtümer unseres Urleils zu berichtigen
vermag. Erst wenn alle Möglichkeiten erschöpft sind, haben wir unsere
Pflicht erfüllt und mögen in Demut „das Unerforschliche verehren".
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Ob das Tier in menschlicher Sprache denken und urteilen kann, ob es
außerdem telepathisch empfänglich ist, diese beiden bedeutungsvollen und
bisher unbeantworteten „Fragen an die Natur" hat das Experiment bejaht
und damit tausendjährigem Streit und Irrtum mit einem Schlag ein Ende
bereitet. Der Hebel ist angesetzt, der Anfang gemacht, — wann wird
Nachfolge kommen?
Wollen wir weiter vordringen — und wo wäre die Grenze? — so bedarf
es der hingebenden und verständnisvollen Mitarbeit der hierzu Berufenen,
auf die ich seit Jahrzehnten vergeblich warte. ,
Sollte man nicht meinen, die Größe und Schwierigkeit der Aufgabe
müsse unwiderstehlich das Genie des Forschers reizen? Aber es fehlt bisher
an jeder umfassenden Hilfe und Unterstützung — ideeller wie materieller
Art —, ohne die der weitere Ausbau nicht zu sichern ist.
Bis hierhin liegen bestimmte Ergebnisse — Tatsachen — vor, nunmehr
sei auf einige Aufgaben hingewiesen, die gleichfalls der Lösung harren:
ein Programm der Zukunft.
Wie der Sternkundige aus einer beschränkten Anzahl, aus drei geozentrischen
Beobachtungen die Bahn eines Himmelskörpers bestimmt, so können
wir aus unseren bisherigen Feststellungen — tierische Denkfähigkeit, Telepathie
und Instinkt — die Bahn zukünftiger Versuche festlegen.
Wenn wir — nach Eduard von Hartmann, dem ich darin zustimme —
den Tierinslinkt als ein Hellsehen, als einen „Anschluß an das Absolute"
auffassen, so muß es auch möglich sein, dieses Hellsehen experimentell
beim Tiere auszulösen und vielleicht noch einmal im Dienst des Menschen zu
verwerten.
Auf Grund einer so weitgehenden Uebereinstimmung von Menschen-
und Tierseele, wie sie uns aus den Unterrichtserfolgen hervorleuchtet, können
wir sogar voraussetzen, daß auch mediale Fähigkeiten im Tiere schlummern,
die es wachzurufen gilt.
Doch bleibt hier die Frage noch offen, ob es einmal gelingen wird, in
Kontakt zu kommen mit den tiefsten, unterbewußten Schichten der Tierseele,
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