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Krall: Denkübertragung zwischen Mensch und Mensch.

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hinab. Da lachte einer aus dem Publikum: ,Ach, Quatsch!4 sofort versagten
meine Knie den Dienst, ich stürzte die letzten Stufen hinunter und verlebte
mich so schwer, daß ich lange Zeit das Bett hüten mußte."

Ich weise an dieser Stelle darauf hin, wie übereinstimmend sich die seelischen
Vorbedingungen zeigen, ob es sich nun um Gedankenleser, um Medien
oder um Denkende Tiere handelt: sie alle arbeiten nicht oder können nicht
arbeiten» in Gegenwart ihnen unsympathischer Personen. Ihr
seniles Nervendem, ihr Unterbewußtes" enfpfindet instinktiv und sehr deut-
lieh die Hemmung, die von diesen Widersachern ausgeht und die auf sie wirkt
wie ein Widerstand auf den elektrischen Strom — abdrosselnd. Kinder und Tiere
haben im allgemeinen den gleichen sicheren Instinkt für die Gefühle Fremder
ihnen gegenüber: sie „fühlen" genau, wer ihnen wohl will oder wer nicht.
Obgleich dies ja allgemein bekannt ist, stehen wir hier noch vor wichtigen Ge-
heimnissen der Seelenbeziehungen, die auch für das Alltagsleben von tiefeinschneidender
Bedeutung sind.

Mißlang — in seltenen Fällen — der Uebertragungsversuch, so geriet
Ninoff in eine fürchterliche, fast katastrophale Aufregung, die ihn tage-, ja
wochenlang bedrückte.

„Wenn ich, wie Sie wünschen, noch einmal in Ihrer Gesellschaft auftreten
soll, so muß ich mir etwas vorbehalten: auf mich kann ich zählen,
aber nicht immer auf den anderen. Ich muß also bei dem Gedankenlesen Sie
oder einen Freund der Sache nehmen können. Im Publikum selbst findet man
zu viele Leute, die erstens nicht scharf denken können und ferner immer den
Nebengedanken haben, der Versuch möge mißlingen."

Da er es mit seiner Kunst so ernst nahm, litt er unsäglich unter dem
Unverstand des Publikums. Man muß sich vergegenwärtigen, daß seine aufreibende
Vorführung meist in Varietes stattfand, wo dies „Phänomen" eine
Nummer unter anderen war, zwischen den Darbietungen von Drahtseilkünstlern,
Bauchrednern oder Exzentrikclowns. Seitens des anwesenden Publikums wurde
seiner einzigartigen Darbietung keinerlei Verständnis entgegengebracht: es war
eine kleine Sensation, weiter nichts.

Wie sehr mag sich Ninoff dadureh das Leben erschwert haben, daß er
jeden beliebigen aus dem Publikum zu diesen heiklen Versuchen zuließ.
Freilich — ablehnen konnte er auch niemanden (es ging ihm hiermit wie mir
mit den Pferden), der hätte dann triumphiert: „Aha — er fürchtet mich!"
Man kann sich leicht denken, wieviel minderwertige Subjekte da im Lauf der
Zeit „mitwirkten", nicht nur ohne jedes Verständnis, sondern mit übelstem
Willen. Ich selbst, der ich jede Gelegenheit benutzte, auf der Bühne seinen
Vorführungen in nächster Nähe beizuwohnen, erlebte mehrfach, wie sich neben
mir stehende „Versuehsteilnehmer" verabredeten, „den Kerl hereinzulegen"
und auf keinen Fall zuzugeben, wenn er das Richtige getroffen hätte! Ich
mußte mit ansehen, daß angetrunkene Leute aus dem Publikum, die sich lärmend
an den Experimenten beteiligten, nachher einfach den Tatbestand leugneten
. Solche Vorfälle wiederholten sich in jeder Vorstellung, in jeder Stadt 1
Man mag sich die Wirkung auf sein so reizbares, bei jedem Anstoß vibrierendes
Nervensystem vorstellen.

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