Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1926/0654
Dennert: Sind Spiritismus und Animishius „legitime Hypothesen"? 625

wenn sie nicht verhängnisvoll werden soll, und eine Hypothese ist nur dann
„legitim'4, berechtigt, wenn sie diesen Regeln genügt.

Es muß nun von vornherein betont werden, daß „legitim" in diesem Sinne
nicht etwa gleichbedeutend ist mit „richtig" und „wahr" und „illegitim" mit
„falsch". Es mag dem Laien zunächst sonderbar erscheinen, daß eine legitime
Hypothese falsch und eine illegitime, also unberechtigte Hypothese wahr
sein kann. Man muß dabei bedenken, daß es sich ja zunächst noch gar nicht
um Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Erklärung handelt, sondern um die Berechtigung
, sie ab wissenschaftliche Annahme hinzustellen. Ein Bei-
spiel mag es erläutern. Es ist für jeden nicht ganz im Mechanismus Verbohrten
selbstverständlich, daß die biegungsfesten Elemente im Bau eines Pflanzenstengels
teleologisch gedeutet werden können, d. h. daß sie als Schutz gegen
Einknicken und Zerbrechen dienen. Diese Anschauung ist also richtig. Will
man sie aber als kausale Erklärung für das Zustandekommen der Biegungsfestigkeit
des Stengels aufstellen, so ist dies eine illegitime Hypothese. Man
ersieht aus diesem Beispiel auch, wie wichtig und bedeutsam es ist, daß man
sich über diese Dinge einig ist, wenn man nicht, wie es gerade auf biologischem
Gebiet so oft geschieht, aneinander vorbeireden will.

Es möchte nun zur Klärung wertvoll sein, zu untersuchen, ob Spiritismus
und Animismus als Erklärungen parapsychologischer Phänomene legitime Hypo-
ihesen sind. Zu diesem Zweck ist es nötig, daß wir uns erst einmal über die
Legitimität der Hypothesen überhaupt verständigen. Die Grundsätze dafür
sind von Newton in seinem Werk „Philosophiae naturalis principia"
Lib. III als „Regula I" aufgestellt worden, und gölten seitdem unbestritten in
der Naturwissenschaft. Ein wenig ergänzt sind es folgende:

1. Die für eine Reihe vop Erscheinungen als Ursache aufgestellte Erklärung
muß eine causa vera sein, d. h. eine wahre und bekannte Ursache.

2. Die Folgerungen aus der Hypothese müssen mit den beobachteten Talsachen
übereinstimmen. Man bezeichnet dies als „Verifikation der Hypothese".

3. Die beobachteten und zu erklärenden Erscheinungen dürfen sich nicht
aus einer anderen Ursache ebensogut oder gar besser erklären lassen.

/j. Durch die Hypothese dürfen sich nicht andere als die beobachteten
Tatsachen ebensogut ableiten lassen.

5. Die Hypothese muß die Erkenntnis der Einheit der Natur fördern.

Die Sätze i, 2 und 5 entsprechen den von Newton aufgestellten Grundsätzen
. In der Tat erkennt man unschwer, daß 3 und 4 schon in 2 enthalten
sind; sie stellen nur eine wertvolle Ergänzung dieses Grundsatzes dar. Im
übrigen ist es klar, daß alles an dem ersten Satz hängt, daß also die Hypothese
eine „causa vera" sein muß. Es will dies besagen, daß man als Ursache
nur etwas aufstellen darf, was man sonst schon in anderen Fällen als in Wirklichkeit
bestehend erkannt hat. Man darf also nicht etwa ins blaue hinein
irgendeine Ursache ersinnen und als Hypothese aufstellen. Diese Ursache muß
dann ferner die in Rede stehenden Tatsachen besser erklären als irgendeine
andere, und endlich muß sie, was nur zu oft nicht beachtet wird, dazu beitragen
, die Erkenntnis der Einheit der Natur zu fördern.

Es mag noch einmal darauf hingewiesen werden, daß die „causa vera"
nicht etwa in dem Sinne eine „wahre" Ursache ist, als sie schon als die wirkliche
Ursache der in Rede stehenden Tatsachen erkannt ist: denn dann würde
es sich ja gar nicht mehr um eine Hypothese handeln. „Wahr" muß sie nur

40


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1926/0654