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Schneider: Instinkt und Hellsehen

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Endes auf der Auswirkung eines Uebersubjekts, das vom Bewußtsein in verschiedener
Weise erlebt wird, dies Uebersubjekt greift aber auch ein in die
Handlungsleistung der Tiere, nur spielt es hier im Bewußtsein überhaupt
keine Rolle. Im Instinkt verbirgt sich das Uebersubjekt, während es im Hellsehen
zum Vorschein kommt. Demgemäß sind aber doch beide scharf zu
trennen. Und es gehört zu den reizvollsten Aufgaben, der Einflußnahme
des Uebersubjekts in beiden Fällen genauer nachzuspüren, was überhaupt die
Hauptaufgabe aller Psychologie ist.

Wenn Herr Dr. Tischner Instinkt und Hellsehen darin übereinstimmend
findet, daß beide nicht auf Sinneswahrnehmungen beruhen, so möchte ich dem
nicht beistimmen. Zweifellos ist doch ein Instinkttier bei seinem Verhalten ganz
und gar auf sinnliche Wahrnehmungen angewiesen. Eine Sandwespe, die ihre
Beute, eine Raupe etwa, durch Stich in ein Mittelbrustganglion lähmt, prüft
das Objekt vor dem Stich genau, sucht die geeignete Stichstelle, was bei dem
Widerstand der Raupe keine leichte Sache ist, verfügt dabei also, wie wir wohl
sagen dürfen, über die größte Exaktheit des sinnlichen Erlebens. Wenn, wie
beim Kampf der Tarantel mit der großen Dolchwespe, Leben und Tod vom
raschen Zubeißen an der richtigen Stelle abhängt, leuchtet die Gebundenheit ans
Sensorium wohl klar genug ein. Unbekannt ist den Tieren nur, warum der
Stich oder Biß an der bestimmten Stelle lähmend auf die Beute (den Gegner)
wirkt, aber sonst gibt es im Verhalten nichts Okkultes. Vergleichen wir nun
damit einen im Trance befindlichen Hellseher, so liegt hier ein Unterschied
vor wie Tag und Nacht. Der Hellseher hat sein Sensorium abgestellt und erlebt
dafür übersinnlich ein räumlich oder zeitlich fernes Ereignis, zu dessen Erlebnis
ihm Sinne und Muskelapparat gar nichts nützen. Er ist vollkommen
anders auf die Umwelt eingestellt als das Instinkttier, nämlich nicht räumlich
wie dieses, sondern raumzeitlich, überräumlich, wie ich mich ausdrücken
will. Damit kommt er durch eine andere Bewußtseinsform an die Dinge heran
als das sinnlich wahrnehmende Tier, durch die Raum und Zeit in gleicher
Weise überschauende Uebersinnlichkeit, während das Tier nur den
Raum überschaut, nicht die Zeit. *

Damit ist die Differenz erst ganz ungenügend gekennzeichnet. Ich füge
nun zunächst noch sogleich hinzu, daß auch der Hellseher von der Kausalität
seines Tuns nichts weiß, bzw. nichts zu wissen braucht. Irgendwelche Verstandes
- und Vernunftleistungen sind für das Hellsehen ganz bedeutungslos,
in dieser Hinsicht ist also enge Verwandtschaft mit dem Instinkt gegeben.
Das Denken spielt hier wie dort keine Rolle. Der Unterschied liegt auf anderem
Gebiete, und zwar liegt er eben im sinnlichen Verhalten einerseits, im
übersinnlichen andererseits. Damit nun aber stehen wir vor einer Begriffsbestimmung
, die zu den denkbar schwierigsten gehört, allerdings auch zu den
interessantesten, vor einer Begriffsbestimmung, die unserer Zeit mehr not tut
als viele andere, die eines der Hauptprobleme unsrer Zeit ist. Ich habe gefunden
, daß man hier am besten weiterkommt, wenn man beachtet, daß beiderlei
Erlebnisse aus zwei Komponenten bestehen, von denen die eine im
sinnlichen Erlebnis dominiert, die andere im übersinnlichen. Was im sinnlichen
Erlebnis dominiert, geht schon aus dem Worte hervor, nämlich
das sensorische Moment, anders gesagt: die Empfindung. Was aber dominiert
im übersinnlichen Erlebnis? Hier hilft uns das Wort nicht weiter,
denn eben gerade was übersinnlich ist, soll erklärt werden, ist uns nicht un-


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