Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1926/0660
Schneider: Instinkt und Hellsehen.

631

die sie übereinander schichten, wüßten sie also um Schwere und Widerstand
der Gebilde, so würden sie wohl nicht derart roh und unzulänglich den Bau
durchführen, daß er meist schon während des Erkletterns zusammenbricht
und nur durch einen raschen, waghalsigen, für uns gar nicht zu riskierenden
Sprung erreicht wird. Schon ein mit dem Baukasten spielendes Kind berücksichtigt
die Schwergesetze, lernt sie bzw. bald kennen und beachten, was für
Affen nicht gilt, denen nur am Zweck der Arbeit, nicht an Kenntnisnahme
der Arbeitsmittel gelegen ist. Dies Moment ist hier vor allem
zu beachten. Die Denkarbeit des Verstandes ist ein Plus zur Zielanstrebung,
welch letztere rein äußerlich formal sich befriedigt, nicht wissenschaftlich
analysierend über das Problem reflektiert: der Affe bleibt immer ganz in der
Anschauung, studiert nicht im einzelnen die Dinge und probiert nicht mit
ihnen. Aber die Anschauung ist doch höher zu werten als Bühler tut. Wohl
handelt es sich bei dem Affen um ein Gestaltserlebnis, aber wir kennen Gestaltserlebnisse
auch bei Instinkttieren und hier fehlt gerade das charakteristische
Moment, das Bühler Ahaerlebnis nennt — das ich lieber Zweckerlebnis nennen
möchte! Folgendes ist dazu zu sagen.

Die neueste, von v. Uexküll, zur Straßen und mir eingeleitete Tierpsychologie
ist sich darüber klar, daß wir die Instinkte nur verstehen können, wenn
wir den Tieren eine Gegenwelt zuschreiben, nämlich in ihnen sich Formdispositionen
auswirken lassen, die bestimmend sind für die Wahrnehmungsund
Handlungsmöglichkeit. Wenn z. B. ein Fasanküken, das noch nicht gefressen
hat, nicht nach vorgehaltenen Körnern, Eistückchen, Fleischfetzen,
auch nicht nach lebendigen Teilen eines Regenwurmes pickt, obgleich es ihnen
mit den Augen folgt, wohl aber sofort nach einer vorgehaltnen zappelnden
Fliege, die es auch verschlingt, so muß für sein Verhalten bestimmend sein
eine Gestaltsdisposition seiner Psyche — v. Uexküll und zur Straßen
meinen: seines Gehirns! - auf die die äußere Situation anklingt, womit die
Reaktionsfolge ausgelöst wird. Oder wenn ein auf den Rücken gelegter Seestern
, nachdem er zunächst mit den Füßchen aller Armspitzen an der Unterlage
angefaßt hat, dann zwei oder^rei Arme zweckmäßig freigibt und nun nur
mit den Füßchen der anderen Arme die Wendung in die Bauchlage vollzieht,
so muß in seiner Psyche - andre sagen wieder: in seinem Nervenzentrum! -
ein Schema des Vorgangs gegeben sein, das alles Einzel verhalten der Teile
determiniert. Von sensorischen Formdispositionen sprec'he ich
im ersteren Falle, von motor ischen im letzteren. Diese Dispositionen determinieren
die Handlungen als angeborene Anlagen, ganz in dem Sinne, wie
die Ontogenesen durch angeborene morphologische Potenzen derterminiert werden
. Ich betone, daß alle diese Formdispositionen psychischer
Natur sein müssen, denn eben nur in einer Psyche sind solche Ganzheiten
möglich, und daß sie speziell bei der Handlung angewandt werden auf Empfindungselemente
,, denen sie Gestalt geben. Bei jeder Handlung werden bestimmte
Empfindungen angestrebt, also z. B. bestimmte Lage- oder Gleichgewichtsempfindungen
, bestimmte Geschmäcke, Gerüche, Kontakte, Widerstände, zweifellos
auch bestimmte Töne und Farben bzw. Helligkeitswerte, und dieses Streben
vollzieht sich entsprechend bestimmten Handlungsformen, die zwischen Bedürfnis
und realem Erlebnis vermitteln. Diese Formen sind als sensorische
räumlicher, als motorische überräumlicher Natur. Räumlich
sind die ersteren ,da ja die Objekte nur als räumliche wahrgenommen werden.


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1926/0660