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Krall: Eigene Versuche mit Ninoff.

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zustellte. Wir werden später auf diese allgemeineren Versuche noch kurz
zurückkommen.

Diese Methode war mir nicht überzeugend genug, und ich überlegte daher
, wie ich zu einem einwandfreieren Beweise gelangen könnte. Ich wollte
folgenden Versuch machen: eine Karte mit einer längeren Zahl beschreiben,
sie mehrfach mit schwarzem, undurchsichtigem Papier verhüllen, in mehrere
Umschläge stecken, mit dünnem Pappdeckel umgeben, so daß sie für jedes
menschliche Auge, für jedes Tastgefühl undurchdringlich wäre1). Den verschlossenen
Umschlag wollte ich einen. Bekannten übergeben und diesem,
kurz bevor er die Bühne betrat, die Zahl heimlich mitteilen.

Andererseits aber wünschte ich Herrn Ninoff vor dem Publikum nicht
in Verlegenheit zu bringen, falls er nicht imstande sein sollte, das geplante
Experiment auszuführen, und so fragte ich vorher schriftlich bei ihm an, ob
ich1 ihm am nächsten Tage auf der Bühne einen verschlossenen Briefumschlag
überreichen dürfte.

Dieso Anfrage sollte für mich von entscheidender Bedeutung werden. Es
war am Tage der zweiten Vorstellung, Sonnabend, den 3o. November, so eUa
gegen 6 Uhr abends, als Herr Ninoff, in seinen Pelzmantel gehüllt, persönlich
zu mir kam and mir in seiner lebhaft erregten Weise in gebrochenem Deutsch
sprudelnd mitteilte, er habe soeben nach seiner Rückkehr von Düsseldorf
meinen Brief vorgefunden: „Ich kann nicht machen das, was Sie wünschen."
Wie ein Blitz fuhr es mir durch den Kopf: „Also ist doch ein Haken dabei!"
Und als ob er meinen Gedanken erraten hätte, erwiderte er: „Nein, nicht das,
was Sie denken. Wenn ich mache Experiment mit verschlossenem Kuvert,
meinen Leute: abgekartete Sache! Deshalb darf ich nicht machen das. Aber
jetzt werde ich machen alles, was Sie wollen."

Damit warf er seinen Mantel ab und verlangte ein Handtuch zum Verbinden
der Augen. Das alles spielte sich' in kürzester Zeit ab, schneller als
ich' es beschreiben kann. Ninoff war allein, ohne jede Begleitung. Seine Verweigerung
meines Wunsches, die lediglich der skeptischen Stimmung des Publikums
Rechnung trug, war ja ohne weiteres einleuchtend; ein Verdacht um so
weniger berechtigt, als er sich jetzt selbst zu meiner Verfügung stellte. Nun

*) Man versucht auch solche Fälle durch Hyperästhesie zu erklären, nur
um das Außersinnliche abzulehnen und den „Durchbruch ins Metapsychische" zu
verhindern (Baerwald). Aber dieser Einwand ist durch nichts bewiesen. Der Annahme
einer Hyperästhesie widerspricht vor allem, daß die Versuchsperson (z. B.
bei Chowrm) das Wahrzunehmende nicht etwa scharf ins Auge faßt, wie es bei
eilnem „hyperästhetischen" (d. h. normalerweise erschwerten) Sehen doch selbstverständlich
wäre, sondern sie wendet den Blick nach einer ganz anderen Richtung,
so daß ein Sehen im übIichen»Sinne nicht stattfindet. Das ist entscheidend für das
innerliche, das Hei 1 sehen. Wir dürfen dabei nicht vergessen, daß bisher ein einwandfreier
Fall von Hyperästhesie weder nachgewiesen noch überhaupt ein solcher
Nachweis je versucht wurde. Es ist eine völlig unbewiesene Hypothese
(vgl. hierzu R. Tischner, „Hyperästhesie und Hellsehen", Z. f. Paraps., H. 12,1926).
Das menschliche Auge wird niemals mehr, wohl aber erheblich weniger
leisten als die photographische Linse. Diese ist nicht nur —je nach Wahl und Kombination
der Glassorten — für verschiedene Strahlengebiete (Wellenlängen) durchlässig
, sondern gestattet auch — im Gegensatz zum Auge — eineDauerbelichtung.
Sie ist also nach mehreren Richtungen hin dem Auge weit überlegen: was das
photographische Objektiv nicht „sieht", wird auch das Menschenauge nicht sehen
können. Hier wird uns das Experiment no ch manchen wertvollen Aufschluß geben.


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