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Krall: Versuche Anderer mit Ninoff.
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auf die richtige Spur. Das erfolglose Suchen zog sich immer mehr in die Länge,
bis der Telepath, äußerst erregt und schon halb erschöpft, erklärte, er könne
nieht weiterfinden. Der Versuch wurde abgebrochen, und um die Sache wieder
in Fluß zu bringen, übernahm ich jetzt selbst die Uebermittlung, wobei ich
mit einer Intensität, mit einem Nachdruck mich zu konzentrieren suchte wie
nie zuvor. Ich hatte — zu meiner peinlichen Ueberraschung — trotz aller Anstrengung
keinen Erfolg, während doch alle früheren Uebertragungen von
meiner Seite ohne Schwierigkeit, wenn auch nicht vollkommen, gelungen waren.
Als nunmehr Dr. Sch., ein Teilnehmer an unserem Privatabend, als Sender
fungierte, gelang nach wenigen Sekunden eine Uebertragung ohne weiteres.
Nähere Aufzeichnungen über diesen für die Beteiligten immerhin peinlichen
Vorfall, der ihre volle Aufmerksamkeit in Anspruch nahm, fehlen leider.
Herr Sanitätsrat K., ein zwar trockener, etwas mürrischer, aber doch einwandfreier
Herr, erklärte später, er habe an ein inneres Organ, an seine
„Leber", gedacht. Vielleicht liegt hier ein noch nicht untersuchter Zusammenhang
vor, der unter solchen Umständen ein Gelingen vereitelt.
Schon früher haben wir erfahren, daß sich Ninoff später bei mir beklagte,
es habe nur an dem üblen Willen der Versuchsperson gelegen, deren feindliche
Oesinnung er gleich gespürt habe. „Ich erkannte in diesem Herrn sofort einen
Menschen fauve, einen brutalen Menschen. Sprechen Sie mir niemals mehr
von ihm, wenn Sie sollen, daß ich wieder gesund werden soll. Der Doktor Heß
mich" alle seine Papiere in die Hand nehmen, seine Brille absetzen, kurz, er hat
mich alles tun lassen, um nachher sagen zu können, daß ich mich getäuscht
hätte. Wenn einer das nicht will, il me corrigp. Im übrigen waren viel zu viel
Personen da, das stört immer." Er nannte die Gesinnung solcher Leute
illoyal, quälte sich aber nichtsdestoweniger bis zur Erschlaffung mit ihnen ab.
Es wäre viel vernünftiger gewesen, ungeeignete Personen einfach beiseite zu
lassen. Mit seinem Entgegenkommen schadete er sich und der Sache. Vielleicht
war der Sender aus Mangel an scharfer Konzentrationsfähigkeit nur ungeeignet
, was schon allein den Mißerfolg erklären würde. Allerdings besaß
N. ein sehr fein ausgebildetes Gefühl für die Stimmungen der Sympathie und
Antipathie, die ihm entgegengebracht wurde. Im Grunde war das erste Experiment
mit dem Sanitätsrat völlig mißlungen, die Wahl dieses Herrn ein
unbewußter Fehlgriff meinerseits gewesen.
Wie erwähnt, war unser Medium überaus ehrgeizig. Dies erste Mißlingen,
dabei an einem so bedeutungsvollen Abend, hatte N. in einen solchen Zustand
der Erregung versetzt, daß er, obwohl nachher alle Versuche gelangen, sogar
an den nächsten Tagen noch unter diesem deprimierenden Eindruck stand. An
diesem Experimentalabend war er ganz benommen, taumelte hin und her und
Erklärte mir gleich, die Sache würde von den übelsten Folgen für ihn sein, wie
es nachher (wie wir bereits gesehen haben) auch eintraf.
Aus welchem Grunde mein persönliches Eintreten mißlang, ist mir unklar.
Ich hatte die einleitende, nicht ganz kurze Rede vor dieser großen, durchaus«
skeptisch eingestellten Versammlung gehalten. Wenn mich Derartiges auch
äußerlich ruhig läßt, wird sich doch wohl mein Unterbewußtsein in einer
mehr oder weniger großen Spannung, sogar Erregung befunden haben, da mir,
als dem Spiritus rector der Veranstaltung, im Falle eines Mißlingens die volle-
Verantwortung zugefallen wäre.
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