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Widerspruch im dichtgefüllten Saal. Dieser Widerspruch steigerte sich in bedenklichem
Maße, als Herr Senn-Grundmann seine „Phänomene" nun auch wirklich vorführte
. In einem schwarzen Verschlag saß das Medium: ein junges Mädchen mit
einem blonden Wuschelkopf, das in ein eng anliegendes schwarzes Trikot gehüllt
war. Die Vorhänge zur Kabine wurden zugezogen und als sie sich wieder auftaten,
ließ das „Medium", offensichtlich schlafend, das Haupt hängen, über dem ein weißgraues
Etwas schwebte: die „Materialisation"!

Aber das Publikum war keineswegs überzeugt, daß hier wirklich okkulte
Kräfte im Spiele waren. „Sie bewegt sich doch!" rief einer ganz laut. „Das Zeug
hangt an einer Schnur herab!" konstatierte ein zweiter. Und als ein Herr in den
ersten Reihen mit weithin schallender Stimme „Schwindel!" gerufen hatte, ging der
Skandal los.

Da zeigte nun Herr Senn-Grundmann, daß der wahre Mystiker jeder Situation
gewachsen ist. „Jawohl", schrie er in den Saal. „Es ist ein Schwindel! Ein Schwindel
, den dieser Professor Schrenck-Notzing jahrzehntelang betreibt, oder dem er
zumindest ebensolange immer wieder aufsitzt! Ich habe Sie nun eingeladen, um
Ihnen zu zeigen, wie es in Wirklichkeit gemacht wird!" Diese unvermutete tak«
tische Wendung des „Hypnotiseurs" beruhigte die Gemüter einigermaßen. Herr
Senn-Grundmann konnte mit seinen „Enthüllungen" loslegen.

Das angebliche Medium wurde nun an Armen und Beinen gefesselt, in einen
schwarzen Sack gesteckt und dieser wurde wieder oben zugebunden. Trotzdem
gelang es ihr in der Einsamkeit ihres streng verschlossenen Zeltes, aus einer Weinflasche
ein Glas zu füllen und dann wieder im gefesselten Zustand vor dem Publikum
zu erscheinen. Als einige ungläubige Zuschauer jedoch um eine Wiederholung
des Phänomens unter ihien Augen baten — sie wollten ins Zelt hineinkriechen —
winkte Herr Senn-Grundmann rasch ab. „Es ist ja nur ein Trick," erklärte er
lächelnd. Was dieser Trick freilich mit Professor Schrenck-Notzings unter strengster
Kontrolle durchgeführten Versuchen zu tun haben soll, bleibt unerfindlich.

Der angeblich geplanten „Erledigung" des Gelehrten sollten die lebendigen
Bilder gelten, die der Vortragende nach Schrenck-Notzings Materialisationsphoto-
graphien stellte. Er behauptete zum Beispiel, die Verbindung der Hände des Kon-
trollors und des Mediums sollen es dem Hypnotiseur ermöglichen, kleine Gummifetzen
in die Dunkelkammer verschwinden zu lassen. Die Materialisationen seien
nichts anderes als aufgeblasenes Gummi, das an einem in der Dunkelheit unsichtbaren
dünnen Faden vom Plafond der Zelle herabhänge. Kleine Päckchen derartiger
„Materialisationsmaterie" können mit Stecknadeln am Trikot des Mediums
befestigt werden. Da das aufgeblasene Gummi natürlich hin- und herschwebe,
könne man mit Emphase feststellen:"die Materialisation lebt!

Alle diese Behauptungen versuchte der Vortragende durch Vorführungen des
angeblichen Mediums zu beweisen. Man sah da Taschenspielerkunststücke, wie
sie in jedem Dorfzirkus zur Schau gelangen und fragte sich verwundert, was dies
alles mit der jungen aufstrebenden Wissenschaft der Parapsychologie zu tun habe.

Es erübrigt sich wohl zu betonen, daß diesem lappischen Unternehmen eines
Mannes, der es offenbar nur auf die Brieftasche eines sensationslüsternen Publikums
absah, keinerlei wie immer geartete Bedeutung zukommt. Dem Namen eines Forschers
von Weltruf, wie Schrenck-Notzing einer ist, wird dieser Unfug in keiner
Weise abträglich sein. Uebrigens hat der Gelehrte in einem Brief an einen seiner
Wiener Anhänger das Auftreten des Herrn Walter Senn-Grundmann als das gekennzeichnet
, was es ist: als einen lediglich zur Befriedigung der Schaulust eines zahlenden
Publikums dienenden Betrug.

Wralter Senn-Grundmann versuchte gestern nicht /um erstenmal die Aufmerksamkeit
auf sich zu lenken. Er machte zum erstenmal \on sich sprechen, als er im
Gegensatz zu Hofrat Professor Dr. Wagner-Jauregg die Ansicht vertrat, der Hypnotiseur
könne sein Medium auch zu einem Verbrechen veranlassen. Um diese Ansicht
zu erhärten, veranlaßte er sein damaliges Medium, im angeblichen Trance-
/ustand auf der Gasse mit einer blindgeladenen Pistole zu schießen. Er wurde
damals wegen dieses groben Unfugs, den er als wissenschaftlichen Beweis hinzustellen
versuchte, gerichtlich bestraft.


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