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sich als kritisch gestimmte Forscher mit diesen Dingen befassen. Von solcher
methodischen Erwägung geleitet, gehe ich im folgenden auf Grund meiner
stenographischen Aufzeichnungen eine getreue Schilderung von Vorgängen, die
ich auf österreichischen Yortragsreisen hei wiederholten Begegnungen mit dem
bekannten Grazer Medium Frau M. Silbert zu beobachten Gelegenheit hatte.
Das erstemal, Ende 'Oktober 1920, als ich an einem Vormittag in Begleitung
des Grazer Prof. Walter Frau S. besuchte, um zunächst ihre persönliche Bekanntschaft
zu machen. Mein Erstaunen war nicht gering, als es bereits nach
etwa einer Viertelstunde zwangloser Unterhaltung an den verschiedensten Stellen
des Raumes, zunächst des Tisches, zu klopfen begann. Ich ließ diese merkwürdigen
Töne, die sich in rascher und zahlreicher Aufeinanderfolge dem Ohr
darboten, über mich ergehen, begann dann aber alsbald eine Art Versuche mit
ihnen anzustellen. Ich klopfte auch — auf den Tisch, an dem wir saßen (eine
ältere Bekannte der Frau S. war auch gerade zum Besuch eingetroffen), auf
den Deckel des Klaviers, auf Möbel und Wand. Es erfolgte jedesmal ein deutliches
Echo. Nun ging ich gleich zu einem komplizierteren Klopfen über, indem
ich Iihylhmen aus der Zauber flöte und aus dem Vorspiel zu den Meistersingern
wählte. Auch diese kamen in deutlichem Echo zurück. Die dabei gewonnene
unmittelbare Ueberzeugung, daß es sich nicht um ein vorbereitetes
Klopf-Trick-Manöver handeln könne — befestigte sich mir durch zahlreiche
andere Versuche dieser Art. Auch die seltsamen Berührungen, die sowohl
Prof. W. als auch ick selbst an den Knien \ers|pürte und die ich zunächst
mit großer Skepsis hinnahm, wiederholten sich bei den späteren Begegnungen
unter Bedingungen, die mir jeden Verdacht einer scheinmedialen Nachhilfe seitens
des Mediums und ihrer etwaigen Helfer ausschlössen. Schließlich begann
ich noch einige Fragen zu stellen, die sich auf einen seit längerer Zeit vermißten
Bonner Studenten bezogen. Kannte er mich? — , Ja". (Es hat sich in jahrelanger
Beobachtung herausgestellt, daß ein einmaliges Klopfen ja, ein zweimaliges
nein bedeutet.) Kenne ich ihn? — „Nein". (Das erste ist wahrscheinlich
, das zweite nachweislich zutreffend.) Werde ich ihn kennenlernen?
„Nein". Ist er tot? — ..Nein*. Wird er zurückkehren? — „Nein. Er lebt
im ewigen Sonnenlaiide". (Zu Beginn \origen Jahres wurde die Leiche des seit
etwa i5 Monaten vermißten Studenten aus dem Rhein gezogen.)
f Anfang Oktober 1926 besuchte ich zum zweitenmal Frau S., wieder an
einem Vormittag in Begleitung von Prof. W. Nach wenigen Minuten begann
es wiederum an den verschiedensten Stellen des Raumes zu klopfen, zunächst
am Tisch (während die Hände der Frau S. und Prof. W., der außer mir allein
anwesend war. deutlich sichtbar blieben und die Unterhaltung ihren zwanglosen
Fortgang nahm), dann rechts, in der Büste Roseggers. Dieses Mal wählte
ich Rhythmen aus Händeis Oper Ariodante, die acht Tage zuvor ihre Uraufführung
in Stuttgart erlebt hatte. Wiederum erfolgte ein deutliches Echo,
wie bei der früheren Gelegenheit, und zwar genau als doppeltes Klopfen, wenn
ich mit beiden Händen klopfte. Als spontane Mitteilung in der Form des Klopfalphabetes
, bei dem die Zahl der Klop flaute den betreffenden Buchstaben in
der Reihe des Alphabetes angibt, erfolgten die Sätze: „Höret ihr unsere
Sprache." Es sei schon an dieser Stelle bemerkt, daß man bei etwaiger Un-
es ihm beliebt, dem ich mich bewußtlos hingeben muß. Dann betrachte ich mich
als ein Werkzeug einer höheren Weltregierung, als ein würdig befundenes Gefäß
zur Aufnahme eines göttlichen Einflusses!" (Aus: Goethe als Okkultist)
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