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Zeitschrift für Parapsychologie. 1. Heft. (Januar 1927.)
gemessen erscheinen ließen, wurde Eleonore das Betreten von Wohn- und
Speisezimmer, ebenso einiger Schlafzimmer verboten. Sie hatte nur noch
das Schlafzimmer der Gräfin, die Diele und die Dienstbotenzimmer zur Verfügung
. Eleonore schläft im Zimmer der Gräfin. Dort ereignen sich die
meisten Phänomene. Ich will deshalb eine genauere Beschreibung dieses
Raumes geben.
Das Schlafzimmer der Gräfin isl ein großes Zimmer, etwa fünf Meier
im Quadrat, mit zwei französischen Fenstern, die zu einem Balkon hinaumführen
, auf welchem ich das Medium photographierte. Das Zimmer hat drei
Türen: die eine führt auf den Flur, die anderen in Nebenzimmer. Der Raum
dient einerseits als Schlaf-, anderseits als Arbeitszimmer. Einige Schränke und
sonstige Möbelstücke, etwa i,8o Meter hoch, teilen das Zimmer der Mitte entlang
in zwei Hälften; eine Oeffnung stellt die Verbindung her. Die als Schlaf gemach
dienende Zimmerhälfte ist in der üblichen Weise eingerichtet; im Studierzimmer
stehen Tische, Stühle, ein breiter mit Büchern angefüllter Bücherschrank usw.
und außerdem eine Unmenge Schniek-Schnack, aller erdenkliihe Krimskrams,,
bereitgestellt, damit Draku sich manifestiere. In diesem Zimmer verbringt
Eleonore den größten Teil ihrer Zeit; entweder spielt sie oder sie sitzt auf
dem Balkon und liest. Natürlich ereignen sich hier auch die meisten Phänomene
, welche die Gräfin sofort aufzeichnet.
Erster Beobachtungstag, Samstag, i. Mai 1926.
Ein Wiener 1. Mai ist nicht gerade sehr geeignet für intensives Studium
irgendwelcher Art, es sei denn die soziale Frage — und ich war ernsthaft besorgt
, daß die Arbeiterdemonstrationen der österreichischen Hauptstadt die Ruhe
stören würden, die mir unerläßlich erschien zur Beobachtung des Mediums und
seiner Phänomene. Unter den Rufen „Hoch der Mai!" machte ich mich auf
in die Wohnung der Gräfin, die ich glücklicherweise friedlich und unbehelligt
fand. Vom Zimmer der Gräfin aus blickt man in einen großen Park: <Jer
Raum ist für psychische Studien ganz vortrefflich geeignet.
Ich kam zur Gräfin etwas vor fünf Uhr — zum Tee —, bei dem Eleonore
nicht anwesend war; ich bemerkte schon, daß die Wohnräume ihr nicht zugänglich
sind. Nach dem Tee begab ich mich mit der Gräfin in deren Zimmer, wo
wir Eleonore beim Spielen antrafen. Sie schien recht vergnügt zu sein. Ich
prüfte eingehend das Zimmer; die Gräfin schloß und verriegelte die französischen
Fenster, die auf den Balkon führen und ebenso die Türen des Raumes.
Oie Gräfin und ich setzten uns plaudernd auf die Fauteuils und beobachteten
dabei die Kleine. Der Zelluloidball, mit dem sie spielte, war in der Mitte auseinandergesprungen
; Eleonore kam durch das Zimmer auf die Grälin zu und
bat diese, ihr zu helfen. Die Gräfin und ich standen auf (5 Uhr 4o Minuten^;
die Gräfin bemühte sich, zusammen mit Eleonore, die beiden Hälften des Balles
wieder zu vereinigen. Ich stand dicht dabei und überwachte den Vorgang.
3 Uhr 43 Minuten, während die Gräfin die eine Hälfte, Eleonore die andere in
der Hand und ich beide im Auge hatte, schoß ein Brieföffner in Form eines
Stiletts, etwa 35 Zentimeter lang, durch das Zimmer, aus der Richtung meines
Rückens, und fiel nahe der bereits beschriebenen Tür zu Boden. Ich drehte
mich sofort um, aber niemand war hinter mir. Ich hatte das Ding vorher nicht
beachtet, aber die Gräfin sagte mir, daß sich das Stilett in der Scheide immer
auf ihrem Schreibtisch befinde. Dieser stand an der von uns am weitesten
entfernten Wand, mir im Rücken. Wenn ich nur etwas weiter rechts gestanden
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