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Zeitschrift für Parapsychologie. 1. Heft. (Januar 1927.)
genommen; tatsächlich war das Mädchen an unserer Seite gestanden, solange
wir das Zimmer besichtigten.
Wir kehrten 6 Uhr 5 Minuten in das Studienabteil des Zimmers zurück und
fanden, daß verschiedene Bücher auf der Etagere hineingestoßen waren. Wir
hatten aber vorher jeden Band sorgfältig in die Reihe gestellt. Dieses Durcheinanderbringen
der Bücher ist eines der Lieblingsphänomene und ereignet sich
beinahe jeden Tag. Stundenlang hat die Gräfin schon vor dem Bücherschrank
gesessen und hat ihn angestarrt in der Hoffnung, einmal die Bewegung
zu sehen, aber niemals wurde ihre Ausdauer belohnt. Sieht sie nur einen
Augenblick weg, um Papier herzurichten oder ähnliches, und heftet sie gleich
darauf wieder ihre Augen auf das Regal, so sind die Bücher hineingestoßen.
Ich erwähne, daß die Regale offen, nicht mit Glastüren verschlossen sind. Wir
sahen den Vorgang demnach für ein zweifelhaftes Phänomen an, denn wif
waren nicht absolut sicher, ob nicht die Kleine — zufällig oder absichtlich —
den Büchern mit ihrer Hand einen Stoß gegeben hatte, als wir an dem Schrank
vorbeigingen.
Das Zimmer der Gräfin ist für die mutwilligen Hände eines Poltergeistes
geradezu ideal und der Leser möge nicht übersehen, daß es eine physische
Unmöglichkeit für einen Forscher ist, in jedem Augenblick alle Gegenstände
, die im Zimmer sich befinden, zu beobachten. Ich schicke das voraus,
weil ich mir selbst in der exakten, unausgesetzten Beobachtung des Mädchens
mißtraue.
Bald, nachdem die Bücheraffäre
von uns notiert worden j ^^^^w ^^^^^^^"^^1
war, verließ Eleonore für eini- *
ge Augenblicke das Zimmer. » ^^^^^St^^^^X'^'^ ^
Nach ihrer Rückkehr nahm sie j ^O^^tS^ J
das Ballspiel wieder auf. Um ^ ^^^^Oi^^^S^
6 Uhr io Minuten stieß sie .^^S^.^^^^^ ^^^^^V^
abermals einen Schrei aus und r ^ * äg I
zeigte auf ihre Brust. Die Grä- 4 —----€>--— — — ¥
fin öffnete das Band, mit dem
die Bluse geschlossen war, und schob das Hemd beiseite. Zwischen den beiden
Brüsten des Mädchens, noch etwas auf die linke Brust übergreifend, bemerkten
wir Kratzer, drei kreuz, vier quer, wie die Abbildung zeigt.
^ Die Kratzer waren etwa 6 Zentimeter lang. Während wir sie betrachteten,
wurden sie zuerst rot, dann weiß und bekamen nach ungefähr einer Minute
harte weiße Ränder. Es ist natürlich möglich, daß sich Eleonore, während
sie draußen war, die Verletzung selbst beigebracht hat. Aber ihr Aufschrei war
so natürlich und die Hautabschürfung so frisch, daß die Theorie der Selbstverwundung
nur eine geringe Wahrscheinlichkeit besitzt. Außerdem hätte das
Mädchen kaum Zeit gehabt, die Bluse zu öffnen, sich zu kratzen und das Kleid
wieder zu schließen. Daß die Kratzer frisch waren, erwies sich durch die
Schnelligkeit, mit der sich vor unseren Augen die harten weißen Ränder bil-
delen. Allerdings glichen sie vollkommen den Spuren, die sich zeigen, wenn
jemand sich mit den Nägeln ins Fleisch ritzt.
Während wir noch Eleonorens Brust besahen, rief die Gräfin: „Die Bücher
sind wieder hineingestoßen'' und sie waren es nur zu sehr (6 Uhr 12 Minuten).
Wir hatten sie doch vor einigen Minuten so schön in die Reihe gestellt und
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