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Blacher: Ist der Mediumismus etwas Verklingendes oder Kommendes? 33

Ist dieser Gedanke richtig, so ist auch dadurch die Einstellung von wissenschaftlichen
und kulturellen Vereinigungen und Instanzen von selbst gegeben,
liier streife ich ab und komme später auf mein Ilauptthema zurück.

Da wir nun einmal bei Synthesen sind, erlaube ich mir noch eine Synthese
anzuführen. Freilich mit größerem Vorbehalt. Sie entstand gleichfalls aus Abelsehen
Anregungen. Abel wies auf paleobiologischem Wege nach, daß Anpassung
und Zweckmäßigkeit im Verlauf der Artenentstehung nicht zusammenzufallen
brauchen. Mit andern Worten, daß bei unzweckmäßiger Anpassung das
Indhiduum zugrunde geht. Er nennt es fehlgeschlagene Anpassung1
) und denkt sich die Sache etwa so 2): Nach im Individuum begonnenem
AnpassungsprozeB verändern sich, evt. durch terrestrische Katastrophen veranlaßt
, die Lebensbedingungen so, daß das Individuum, das nun in einer Richtung
durch Anpassung geschützt sein kann, den anderen zu schnell auftretenden Hindernissen
nicht durch Anpassung entgegentreten kann und zugrunde gehen muß.

Wir haben hier die merkwürdige Erscheinung, daß die Natur, wenn man
s ) *agen soll, selbst nicht immer Herrin der Situation ist. Bei einem Menschen,
der so geartet ist, weiß man auch nicht immer im voraus, ob er seine Absichten
ausführen kann, er ist sozusagen unzuverlässig. Die Natur leidet also auch an
einer gewissen (relativen) Unzuverlässigkeit. Nun machten bekanntlich am
meis'en Schwierigkeiten die Erklärung des Yorhersehens und Vorhersagens.
Ich habe den Eindruck, daß diese Erscheinungen eine uns noch nicht bekannte
Methode des Abiesens der Richtung eines Naturprozesses ist. Ich kann mich
auf dieser Stelle darüber nicht weiter verbreiten. So viel sei hier nur angeführt
, daß die beim Vorhersagen auftretenden Fehlschläge von eigenartigem
Charakter sind. Meist hat das Vor her sehen und Vorhersagen eine sehr bestimmte
Form, womöglich mit genauer Ort- und Zeitangabe. Die Vorhersage trifft oft
genau so zu3), kann sich aber auch als falsch erweisen. Wie kann man aber
auch richtig vorhersehen, wenn die Natur unzuverlässig ist. d. h. ihren genau
ausgearbeiteten Plan nicht durchführen kann, zum mindesten im Detail4): Das

*) Abel, Fußn. 6, S. 269, Festschrift für Spengel, Zool. Jahrb. Suppl
B.XV, 1. S.597, 1912.

2) Nach persönlicher Mitteilung.

3) Ich berühre hier absichtlich nicht die suggestive Wirkung des Wahrsagens,
die nicht geringe Gefahren in sich birgt und gebe den von R e d d i n g i u s in dieser
Ztschr. 1926, S. 519 ausgesprochenen Ansichten recht. Ich kenne mehrere Fälle,
wo die suggestive Wirkung fraglos eine entscheidende Rolle spielte. Das Eintreffen
war in den Fällen direkt erwünscht oder mindestens stark affektbegleitet.

Ob unsere an Raum und Zeit geketteten Sinne vielleicht nur nicht imstande sind,
die bereits vorhandene Zukunft richtig zu erfassen, ist eine Frage, die hier der Vollständigkeit
halber nur gestreift werden kann. Die müssen zuerst einmal die rein
physikalische Relativität des Geschehens (Einstein) in ihrem Wesen erkenntnistheoretisch
aufklären (Driesch erkennt sie von diesem Standpunkt aus nicht an),
bevor wir hier weiterdenken. T>aher sind die letzten Ausführungen von C a m i 11 o
Schneider (diese Ztschr. 1926, S. 562) prinzipiell so wichtig.

4) Im Detail, d. h. auf das betreffende Individuum bezüglich. Tatsächlich ist ja
das Individuum nur ein verschwindend kleiner Teil des Naturganzen. Der Wahrsager
hatte also sich nur auf ein Naturdetail konzentriert und seine Entwicklungstendenz
erfaßt, aber übersehen, daß zu dieser Tendenz eine andere Tendenz in
Gegensatz treten und sie zum Stillstand bringen muß, das ist die Tendenz des Naturganzen
. Den Fehlschlag der Vorhersage hat also im Grunde genommen der
Wahrsager veranlaßt. Die Natur steht scheinbar rein da. Rein wohl, wie es scheint,
aber doch nicht menschenfreundlich und ehrlich!

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