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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1927/0060
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Zeitschrift für Parapsychologie. l.Heft. (Januar 1927.)

Durchschaut man in dieser We»se die transzendentale Struktur des \\ ach
bewußtseins, so kann einem wohl schon rein theoretisch ein Licht darüber aufgehen
, daß diese Struktur nur die tine von zwei Möglichkeiten darstellt. Die
fehraumzeitlichkeit als Fundament und die Qualität als Sekundärfunktion ist
offenbar nur die Strukturform desjenigen Bewußtseins, dessen Selektionsbestimmtheiten
durch den Sinnesapparat zustande kommen. Es ließe sich
geradezu a priori ein anderes Bewußtsein konstruiert denken, in welchem sich
die Struktur durch Akzentverlegung umkehrt, so daß die Qualität als Fundament
und die ichraumzeitliche Einordnung als i\ eben funk lion erschiene. Und
die Erfahrung macht uns nun das Vergnügen, uns dieses theoretisch geforderte
Bewußtsein tatsächlich zu zeigen: nämlich als das bisher so undefinierbare
„okkulte Bewußtsein" mit seiner Mehrzahl >on Znsländen. Hei allem okkulten
Bewußtsein ist Qualitatives grundlegend, die ichraumzeitliche, das heißt die
..wirkliehkeils"-bezügliehe Einordnung der Qualitäten aber sekundär und also
Schwankungen und Unsicherheiten unterworfen. Daher eignet den okkulten
Bewußt seinszuständen im Gegensatz zum Wach bewußt mm" n und an diesem als
Maßstab gemessen, eine große Unsicherheit in bezug auf jegliche praktische
Verwendbarkeit, und nur besondere Medien" sind in der Lage, bei der ichramu
zeitlichen, wirklichkeitsbezüglichen Einordnung der Qualitäten sozusagen ein
Minimum von Fehlern zu begehen. Worauf dies beruht, kann aber erst nachher
erläutert werden. Zunächst interessiert uns das okkulte Bewußtsein als solches,
ob es nun im Traum oder im Fernsehen auftritt.

Im okkulten Bewußtsein nimmt die „Seele** (die psychische Ganzheit im
Gegensatz zu Einzelfunktionen) ohne Sinne wahr. Das Seleklionsprinzip der
wahrgenommenen Qualitäten ist also nicht das biologische, sondern ein anderes.
Welcher Art dieses sei, läßt sich am besten durch den Begriff der ästhetischen
Wahrnehmung innerhalb des Wachzustandes klar erläutern. Auch sie hebt sich
bereits einigermaßen über die biologisch-empirische Wahrnehmung hinaus,
da nämlich in ihr das Stimmungsimpressionistische, das hinter den einzelnen
Sinnesgebieten liegt, das „Seelische*' im Gegensatz zum „Sinnlichen ", eine grundierende
Rolle spielt. Nicht das Ohr hört die Musik, sondern die „Seele ".
Das Ohr ist nur Auswahlapparat und Eingangspforte. Auch nimmt der musikalisch
Erlebende eigentlich nicht die Töne wahr, sondern ein Etwas zwischen
und hinter den Tönen, das sich sprachlich schon gar nicht mehr fassen läßt, das
fich aber doch schildern ließe als Qualität, die hinter allem Sinnlichen liegt, und
vermöge deren die ästhetischen Wahrnehmungen des Auges, des Ohrs, des Allgemeingefühls
ineinander übersetzt werden können, wie ebensoviel verschiedene
Sprachen für etwas anderes, das dahinter liegt. Jenes ästhetische „An sich"
ist der wahre Inhalt künstlerischen Erlebens. Es ist etwas sehr Klares, Deutliches
, Bestimmtes, Individuelles, qualitativ Eindeutigem aber doch etwas anderes
als die biologische Zeichenwahrnehmung eines Tones, einer Farbe, eines Wortes,
einer Bewegung. Das ästhetische „An sich" führt geradezu an die Schwelle der
Traumwelt, und nicht willkürlicherweise haben große Künstler immer wieder
Traum und Kunst als etwas Aehnliches empfunden.

Eine ästhetische Stimmungsimpression nun hat die Eigenschaft, daß ihr
Fundament nicht die Ichraumzeitlichkeit ist, und daß ihre Assoziationstendenzen
also andere sind als die des empirischen Raumes und der empirischen Zeit.
Das „willensfreie" Erleben, wie Schopenhauer es nenni, fußt auf den Qualitäten
selbst und assoziiert Qualitäten nach ihrer individuellen Verwandtschaft.


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