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Tischner: Hyperästhesie und Hellsehen

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lieber als das Auge sich erweist und auf diese Weise noch Sterne nachgewiesen
werden, die dem menschlichen Auge völlig verborgen bleiben. Im Okkultismus
ist also auf einmal alles gerade umgekehrt, wie es uns tausendfältige Erfahrung
in anderen Wissenschaften gezeigt hat. Baerwald müßte eine neue Physiologie
aufbauen, ehe er Anklang finden könnte.

Wenn er einwenden sollte, es gäbe ja auch Strahlungen, die tatsächlich
durch Bleiwände usw. hindurchgehen, so müßte er nachweisen, daß die
brechenden Medien des Auges für diese Strahlen durchgängig sind, daß die
Strahlen von der Linse wie Lichtstrahlen gebrochen werden, und daß die Netzhaut
für sie empfindlich ist, ganz abgesehen davon, daß er zeigen müßte,
daß dergleichen Strahlen nun von dem Schriftstück tatsächlich ausgehen. Es
ruht also auC ihm eine große Beweislast.

Baerwald mag sagen, daß wir das Hellsehen beweisen müßten, bis dahin
habe seine Ansicht als die weniger weitgehende Annahme Geltungsrecht, denn
sie bleibe innerhalb unserer jetzigen Anschauung. Ich meine, wir sollten in
diesem Falle nicht über die Beweislast und Beweispflicht streiten. Baerwald
sollte den Beweis führen — und das müßte sehr einfach sein —, daß in der Tat
die Rückseite der Pappe so verändert ist, daß der außerordentlich verfeinerte
Tastsinn Unterschiede feststellen könnte. Die Rückseite der Pappe müßte
also entweder kleine Höhenunterschiede zeigen oder Unterschiede der Härte.
Beides wäre mit unseren außerordentlich feinen physikalischen Untersuchungsmethoden
bis zu sehr kleinen Beträgen festzustellen. Gelingt ihm das, nun
gut, dann wollen wir weiter über die Tasthyperästhesie sprechen. Gelingt es
ihm nicht, dann könnte er vielleicht einwenden, das Tastgefühl sei eben feiner
als unsere feinsten Untersuchungsmethoden. Das mag ja sein, aber man würde
ihm diese Behauptung nicht ohne weiteres glauben; nichts von dem, was wir
sonst davon in der Physiologie wissen, bestätigt das, er müßte, um Glauben zu
finden, sich ganz andere Stützen verschaffen, als die Wiederholung der Behauptung
, unser Unterbewußtsein sei nun eben so überempfindlich.

In einer Polemik gegen einen zweiten von mir veröffentlichten Fall (Telepathie
und Hellsehen, 2. Aufl., S. 21—22), in dem er zuerst mit unzureichenden
Gründen die Ansicht vertritt, daß ich die später von dem Medium gelesene
Postkarte doch gekannt oder mit der Peripherie des Gesichtsfeldes gesehen habe,
meint er schließlich — vielleicht im Txefühl, daß seine Einwendungen doch
nicht durchschlagen —, daß das Tastgefühl die Hauptrolle spiele. Nun war
diese Postkarte in ziemlich dickes schwarzes Papier eingewickelt, das auf der
einen Seite zum großen Teil mehrfach lag, und außerdem bestand die versiegelte
Umhüllung aus einem dicken gefütterten Umschlag von starkem sogenannten
Leinenpapier, das bekanntlich nicht glatt ist, sondern deutliche, auch
für den normalen Tastsinn, fühlbare Rillen hat. Es gehört gewiß ein starker
Glaube dazu, daß durch diese Umhüllung die vorauszusetzenden feinsten Unterschiede
auf der Karte gefühlt werden I Ja, ich meine, es ist eine solche Annahme
kaum anders als eine „petitio prineipii" zu werten.

So zeigt denn die genauere Analyse, daß die Baerwaldsche Ansicht auf recht
schwachen Füßen steht, und daß sie, um als ernsthafte Hypothese, die wirklich
alle die Fälle deckt, die sie decken will, angesehen werden zu können, sich nach
weiteren Stützen umsehen muß.

Nun behauptet Baerwald allerdings, daß, wie groß auch die Schwierigkeiten
seiner Ansicht seien, es doch der methodisch richtige Weg sei, lieber eine Ausdehnung


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