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54 Zeitschrift für Parapsychologie. 1. Heft. (Januar 1927.)
einer schon bekannten und anerkannten Fähigkeit \orauszusetzen, als eine noch
unbekannte und nicht anerkannte wie das Hellsehen an seine Stelle zu setzen.
Man wird gewiß nicht bestreiten, daß dies methodologische Prinzip bis zu einem
gewissen Grade richtig ist, das darf aber nicht dazu führen, von vornherein
festzustellen, was sein „darf" und was nicht. Sonst bekommt der Methodiker
Baerwald verzweifelte Aehnlichkeit mit einem Prinzipienreiter, der schon von
vornherein weiß, was es auf Grund seiner Prinzipien geben kann und was nicht.
Auch bei Erwähnung des Falles Mm der Glaslenbury-Ablei denkt er vor-
urleilsvoll. Da es ihm in diesem Falle durchaus nicht gelingt, auf Grund seiner
Prinzipien eine Erklärung zu finden, vertröstet er sich und die Leser damit, man
werde vermutlich eines Tages eine Handschrift oder eine Buchstelle finden, die
der Seher vor Jahren gelesen aber vergessen habe. — Ich mache übrigens bei
dieser Gelegenheit Baerwald auf den Fall \on Didier aufmerksam, den ich auf
Seite 255—?,56 meiner „Geschichte der okkultistischen Forschung" mitteile.
Man sieht, es wäre noch manches vorher zu entscheiden, ehe man berechtigt
ist, über die bisherigen Hellsehe ersuche \om ßaerwaldschen Standpunkt aus den
Stab zu brechen. Es ist hier natürlich nicht die Stelle, alle bisher vorliegenden
Fälle spontaner und experimenteller Art von sogenanntem echten Hellsehen
daraufhin zu untersuchen, ob die Baerwaldsche Erklärung überall zureicht, ich
kann hier nur meiner persönlichen l Überzeugung Ausdruck verleihen, daß ein
Rest übrigbleibt, an dem die Baerwaldsche Erklärung prinzipiell scheitert. Ist
das aber der Fall, dann besteht auch in \ielen andern die Wahrscheinlichkeit,
daß auch bei ihnen Hellsehen mit im Spiel» ist. Es wird die tufgabe der nächsten
Zeit sein, die besten Fälle daraufhin zu untersuchen, ob auch sie den ßaerwaldschen
Einwänden unterliegen. Baerwald hat sich aber auf jeden Fall ein
Verdienst damit erworben, daß er die möglichen Fehlerquellen klarer als bisher
herausgearbeitet hat, aber er tut den Forschern doch um echt, wenn er meint,
„die Okkultisten" kämpften für „das Recht, schluderig experimentieren zu dürfen
". Das stimmt in dieser Allgemeinheit gewiß nicht.
Bei dieser Gelegenheit ein Wort über Baerwakis Stellung zu „den Okkultisten
". Im Grunde sind alle diejenigen „Okkultisten", die sich mit dem Gebiete
befassen oder zum mindesten alle die Forscher, die gewisse Phänomene als
echt anerkennen, alsj auch Baerwald selbst ist Okkultist, und er wird es ja wohl
noch erleben, daß ihn seine Freunde auch dazu rechnen. Wie Baerwald aber
das Wort anwendet, so hat es den Anschein, als ob die Okkultisten eine kleine
Gemeinde bilden, die gläubig eingestellt ist und rein affektiv zu den Erscheinungen
Stellung nimmt, ja er spricht direkt von einer „Sekte" der Okkultisten. In
intellektueller Beziehung sind nach ihm aber offenbar „die" Okkultisten alle
kritiklose Idioten, die durch die Bank >on Wissenschaft keine Ahnung haben.
Wenn er irgendwelche unkritische Ansichten erörtert, dann spricht er von „den"
Okkultisten, als ob „die" Okkultisten sich in ihren Ansichten und der Methodik
völlig glichen! Ich glaube nicht, daß Baerwald das selbst im Ernste behaupten
will, aber seine allzu summarische Ausdrucksweise könnte glauben machen, es
sei das seine Ueberzeugung. Nachdem er selbst zugegeben hat, daß auch auf der
Gegenseite affektive Momente eine starke Rolle spielen, wird er „die" Okkultisten
nicht in dieser Weise aus dem genus humanuni herausheben können.
Ein zweiter Popanz ist das Wort „Mystik"; mit dieser Etikette versehen
wird alles in den Orkus geworfen, was nicht zu seinen monistischen Anschauungen
paßt, oder wenigstens alles, was nicht in dieser physisch-räumlichen Welt
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