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Buchbesprechungen
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1926 selbst für den „Laboratoriumspsychologen" einer Technischen Hochschule
nicht mehr zulässig sind. Noch schlimmer fast steht es mit dem Abschnitt über Para-
psychologie. Während der Verfasser im übrigen Buch sich einer anständigen Form
befleißigt und auf jenen Ton, für den er bereits einmal von Bühl er eine gehörige
Antwort einzustecken genötigt gewesen ist, verzichtet, erlaubt er sich in diesem Abschnitt
eine Aeußerungsweise, die nicht anders als deplaziert bezeichnet werden
kann. So redet er von der „Grimasse des Okkultgläubigen". Was er sagt, ist inhaltlich
so oberflächlich und so kenntnisarm, daß er in dieser Beziehung unsere
bekanntesten Berliner Gegner wohl noch übertrifft. Henning täte besser, auf dieses
Plätschern im wissenschaftlichen Flachwasser zu verzichten und sich gegen den,
wie ich höre, von englischer Seite gegen ihn erhobenen Vorwurf zu verteidigen, daß
sein Bericht über ein angebliches Pseudomedium, das glänzende Telekinesien mit
einem „fast mikroskopisch kleinen" Instrumentarium vollführt habe, eine Mystifikation
darstelle und dasselbe überhaupt nicht existiere. Wir warten in der Tat schon
recht lange auf eine wissenschaftliche Publikation über diese Sache, denn das, was
Henning vermöge seiner früheren, persönlichen Frankfurter Beziehungen zum
Herausgeber der Zeitschrift für Psychologie seinerzeit darüber dort „publizieren"
durfte, hatte mit Wissenschaft durchaus nichts zu tun. Oesterreich.
Dr. med. Peter Muz. Der Charakterologe Ludwig Aub. Psychiatrisch-psychologische
Studie. Beitrag zur intuitiven Seelenkunde. Verlag Max Hueber, München
1925. 20 S. M.I.—.
Die kleine Schrift, welche einen Münchener Nervenarzt zum Verfasser hat,
reiht sich einigen anderen schon früher über Aub erschienenen Broschüren an und
ergänzt sie in wertvoller Weise. Wie der Umfang zeigt, geht auch sie nicht über den
Charakter einer Studie hinaus. Aub ist bekanntlich kürzlich verstorben, und der
Wunscn, das er endlich einmal von psychologischer Seite in wirklich gründlicher
und umfassender Weise untersucht würde, kommt heute zu spät. Auch nach
dieser Schrift kann man sich dem Eindruck nicht entziehen, daß seine Fähigkeiten
über bloßes Einfühlungsvermögen hinausgingen, und daß er telepathische und
psychometrische Anlagen besaß. Im Grunde ist es doch etwas recht Seltsames:
es lebte in Deutschland ein Manu der im offenbar nicht unbegründeten Rufe stand,
parapsychische Fähigkeiten in ausgesprochenem Maße zu haben, und der noch
dazu höhere Bildung besaß, und immer entbehrten wir einer gründlichen Unter
suchung seiner. Oesterreich.
S. L. Hilden. Darwin als Erlöser. Wien, Verlag Fritz Arnold, 1926, 221 S.
Der Titel des Buches könnte mißverstanden werden. Es handelt sich nicht
um eine monistisch-naturalistisch gerichtete Schrift, die in Darwin der Weisheit
letzten Schluß sieht, der Verfasser steht vielmehr im Gegensatz zu Haeckel,
gegen den er ausführlich polemisiert. Er wendet die Entwicklungslehre auf die
geistige Entwicklung an, und er versucht den Gedanken durchzuführen, daß die
Steigerung der geistigen Fähigkeiten das Haupt- und Endziel des ganzen uns sichtbaren
Weltgeschehens ist. Er ist der Meinung, da<ß die UnVergänglichkeit unseres
Geistigen die notwendige Folge der Entwicklungslehre ist, ohne daß es ihm allerdings
meiner Meinung nach gelungen ist, den Beweis dafür zu führen, dazu dringt
der Verfasser nicht genügend in die Tiefe. Hilden spricht wie Haeckel auch der
einzelnen Zelle eine Zellseele zu, einer Wesenheit von gewisser Selbständigkeit
innerhalb der ihr gezogenen Grenzen. Diese Zellseelen bilden nach Hilden die
Vorstufe und die Bausteine für die eigentliche „Seele". Das Geistige eines Lebewesens
könne nicht bei seinem Tode wie der stoffliche Körper restlos aufgelost
werden, es müsse sich irgendwie auf ein neu entstehendes Lebewesen einer nächst
höheien Stufe übertragen. Auch hier vermißt man eine eindringende Beweisführung.
„Eine auf die Menschenform folgende Entwicklungsstufe muß aller Wahrscheinlichkeit
nach Wesen hervorbringen, deren Geistiges so hoch ausgebildet und gesteigert
ist, daß es der Stütze eines grobstofflichen Körpers überhaupt nicht mehr
bedarf."
Auch auf die monistische Ethik geht Verfasser dann näher ein und polemisiert
gegen ihre völlige Diesseitigkeit. Die Schlußkapitel enthalten den Entwurf einer
idealistischen Lebensauffassung und Lebensführung, die nicht neu ist, aber in ihrer
Warmherzigkeit dem Leser manches zu geben vermag. T.
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