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Palzen auf der rechten Wange, dessen Vorhandensein ich unmöglich hätte übersehen
können.
Fall XY1. Nachmittags war der Professor des Mathematik an der Wiener
Universität, Hans Hahn, bei mir, um Eleonore zu beobachten. Ich erzählte ihm
von den Ereignissen der letzten Tage und wir erwarteten eigentlich eine
Wiederholung derselben, als ein neues Phänomen in Erscheinung trat. Eleonore
schrie heftiger auf als sonst, gab an, stark gekratzt worden zu sein und zeigte
uns die Stelle; meistens am Hals, auf den Wangen, am Kinn und auf den
Schultern. Bald darauf bildeten sich unter unseren Augen an den bezeichneten
Stellen dicke, Aveiße Striemen, die an Brennesselverbrennungen erinnerten und
nach1 wenigen Minuten wieder \erschwanden. Als dieses Phänomen häufiger
wurde, nahmen wir Eleonore zwischen uns und hielten jeder eine ihrer Hände;
wie immer natürlich bei vollem Lichte. Da traten plötzlich Gebilde an ihren
Händen und Unterarmen auf, die man nur als Bisse bezeichnen konnte. Starke,
vollkommen deutlich erkennbare Zahnabdrücke, genau so, als ob sie von jemandem
gebissen worden wäre. 6 bis 9 Zähne oben und unten, die Größe des.
Ovals variierend, als wenn dieser hypothetische Mund mehr oder weniger aufgemacht
worden wäre. Diese Bisse waren zuerst als starke rote Eindrücke in
Eleonorens Haut sichtbar, später wurden sie genau so dick und weiß wie die
\orher beschriebenen Kratzer. Einmal kamen am linken, von mir gehaltenen
Unterarm gleichzeitig sechs Bisse nebeneinander. Im Verlaufe jener Stunde,
die Professor Hahn und ich mit Eleonore um den runden Tisch saßen, wurde
sie etwa 25mal unter den einwandfreiesten Bedingungen „gebissen", was jedermann
zu bestätigen Herr Professor Hahn sich von selber bereit erklärte. Bemerkenswert
war, daß ein Biß nnter dem Aermel \on Eleonorens dicker Wollweste
auftrat, und daß etwa drei dieser Gebilde trotz bester Kontrolle, wie zur
Bestätigung der Bißaul fassung auch feucht waren. An diesem Abend wurde
die arme Kleine bis spät geplagt; bis Mitternacht saß ich an ihrem Bette. Seit
damals sind diese Phänomene nicht \yeder so stark aufgetreten, haben aber auch
nicht ganz aufgehört. Viele — darunter Professor Hans Thirring — hatten Gelegenheit
, sie zu beobachten.
Fall XVII. Einen ganz eigentümlichen Eindruck hatte ich am späten Abend
des 3o. März. Eleonore lag schon zu Bett — am Sofa —, ich saß am Schreibtisch
und schrieb einen Brief. Mit einem Male sagte eine leise, hauchartige
tmd vollkommen tonlose Stimme sehr nahe an meinem rechten Ohr in rumänischer
Sprache „Ce este cu Domnul Klein?" (Was ist mit Herrn Klein?)
Der Anfang dieser Frage war deutlich, das Ende verklang wie in Fernen, als
bb sich eine Oeffnung langsam schlösse, aus der Töne aus einem anderen
Räume klängen. Auch war die Stimme so tonlos, daß man unmöglich hätte
sagen können, ob sie männlich oder weiblich gewesen sei. Doch all dies kam
mir erst später zu Bewußtsein, ich reagierte auf diese Frage nicht anders, als
ob sie mir auf gewöhnliche Weise gestellt worden wäre, und wandte mich an
die Kleine mit den Worten: „Wie soll ich das wissen?"
Ihr \öllig verständnisloses und erstauntes Gesicht bekräftigte mir ihre, erst
auf meine zweite Frage: „Du hast doch gefragt, was der Herr Klein macht?"
erhaltene Antwort: ,,Ich habe gar nichts gesagt. ' Dann schlug sie ein Kreuz
und verkroch sich unter die Decke. Sollte ich eine sogenannte „Geisterstimme"
gehört haben? Bei all meiner großen medialen Erfahrung, das war mir noch
nicht untergekommen! Der rekonstruierte Eindruck war jedenfalls merkwür-
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