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Gräfin WassiRo-Serecki: Beobachtungen an Eleonore Zugun.
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lassung sehr bekräftigt. Ich würde mich freuen, wenn auch meine Ausführungen
ein Echo wecken würden.
Auch zwei körperliche Symptome begleiten die Phänomene. Heftiges, akutes,
nach der medialen Entladung abklingendes Kopfweh und ein Druck — wie von
etwas Schwerem — im Rücken (auf der Wirbelsäule und in der Höhe der
6. Rippe), bei dessen Auftreten man immer darauf gefaßt sein muß, daß Eleonore
zu Boden fällt. Während sie schläft, ereignen sich keinerlei Phänomene.
Auch habe ich niemals einen tranceähnlichen Zustand bemerken können, wenngleich
manchmal ganz leichte Bewußtseinstrübungen, die jedoch nur genauen
Kennern ihres Wesens auffallen. Eine harmlose, dabei phantastisch angeregte
Einstellung ohne jede willentlich angespannte Richtung ist die beste Vorbedingung
für ein Zustandekommen der Phänomene, deren Verlauf sofort gehemmt
wird, wenn Medium und Beobachter bewußt darauf warten. Diese,
wenn auch meistens nur sekundenlange Ablenkung — nicht Auslöschung —
des Bewußtseins, scheint überhaupt ein mediales Grundgesetz zu sein, das die
Beobachtungsbedingungen unsäglich erschwert, den Forscher zwingt, zu indirekten
Kontrollmaßnahmen zu greifen und im vorliegenden Falle das Funktionieren
des Mediums in Sitzungen verhindert. Hingegen haben anscheinend
unwillkürlich hingeworfene Bemerkungen stark© suggestive Wirkung und auch
nicht völlig zum Bewußtsein gelangende Assoziationen.
Fall XX. Eines Tages saß Eleonore schreibend am Brette meines Schreibtisches
, in dessen Tuche zwei Nadeln staken. Um mich zu vergewissern, daß die
Nadeln noch da seien, sah ich hin und bemerkte, daß die Kleine meinen Blick
aufgefangen hatte. Rasch sprach ich zu ihr, um ein Bewußtwerden des Erfaßten
zu verhindern. Nach kaum einer halben Minute stak eine dieser Nadeln in
Eleonorens Hand! Ein anderes Mal schrieb sie auf einem anderen Tischchen
als gewöhnlich automatisch und stellte auf diese Weise den Fall der kleinen
Marmortaube in Aussicht. Die bezeichnete Stunde kam und brachte kein Phänomen
. Da schickte ich sie um das betreffende Tischchen, das ich für den Tee
brauchte, und als Eleonore, mit beiden Händen den Tisch tragend, auf mich
zukam, fiel die Taube ziemlich weit von ihr nieder. Offenbar hatte der Anblick
des Tisches das Phänomen ausgelöst. Psychische Erregung in jedem Sinne
fördert die Phänomene; z. B. Ausgelassensein beim Spiel oder Wut wegen eines
Tadels. Jedes neu und heftig auftretende Phänomen wiederholte sich vier bis
fünf Tage lang immerfort und anscheinend zwanghaft, bis die betreffende
psychogene Triebkraft ausgelaufen zu sein schien, nur mehr sporadisch aufflammte
oder auch ganz erlosch. Ich habe dem psychischen Mechanismus der
Phänomene die allergrößte Aufmerksamkeit gewidmet und bin hierbei zu einer
bestimmten Ansicht über seine Funktionsweise gelangt, deren Darlegung ich mir
für später vorbehalte. Hier will ich nur sagen, daß ich jedenfalls auf dem rein
animislischen Standpunkt stehe u±iJ im bösartigen Charakter der Phänomene
eine Art Selbstbestrafung erblicke, ja durch die ungemein aufschlußreichen
automatischen Schriftäußerungen davon überzeugt wurde. Die psychoanalytisch
gebildeten Leser werden verstehen, worauf ich anspiele.
So relativ durchsichtig mir die psychischen Grundursachen von Eleonorens
Phänomenen nach einigen Monaten Studium auch erschienen, so absolut unauf-
gehelll blieb die physikalische Wirkungsweise dieser nach Ausdruck drängenden
psychogenen Kräfte auf die objektive Umwelt. Um das zu erforschen, wäre ein
Laboratorium nötig, das mir leider nicht zur Verfügung steht. Bei Eleonorens
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