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Zeitschrift für Parapsychologie. 2. Heft. (Februar 1927.)
Ernst Ahring wankte in seine Kammer und ist am anderen Tage wie zerschlagen.
Um dem Gerede zu entgehen, zieht der junge Knecht nach Westerscheps und
ist ,,derselbe fleißige, stille, verträgliche Mensch" wie an der ersten Stelle.
Auch hier aber verfällt er in den Vollmondnächten in das absonderliche Wesen.
„Damals ist in den ganzen Jahren in Westerscheps und Umgegend nichts gestohlen
worden." Der Knecht gab auf Befragen in seinem merkwürdigen
Schlaf zustand genau an, wo der entwendete Gegenstand zu finden war. „Nie
aber nannte er die Diebe mit Namen." Auch von verlorenen und verlegten
Gegenständen wußte er genau anzugeben, wo sie lagen. Ein Mann wollte den
Jungen einmal auf die Probe stellen und versteckte darum ein Grotenstück
(alte Oldenburg. Münze) in seiner Pfeife unter den Tabak. „Ick hev doch n
Groten verlaren un kann em nich wedder finden. Weeßt du wat davann?"
Ernst schnüffelte mit seiner Nase, wie er häufig zu tun pflegte, ging auf den
Mann zu, nahm ihm die Pfeife aus dem Mund und sagte, indem er den Tabak
ausschüttete: „Dar hest du dienen Groten."
Ganz eigenartig ist das folgende, was Anna Kufferath berichtet. Eines
Tages kommt eine stark epileptische Frau und fragt den Knecht, ob er ihr
nicht ein Mittel oder einen guten Rat gegen ihr Leiden geben könne. Wieder
im Banne des Vollmonds antwortet der Junge: „Fahr na Hus, unnerwegs hesl
du en bannigen Dost (— großen Durstj. Wenn du den Dost kriggst, go van
*ii Wagen und in dat Hus, wo du just büst. De Lü dor weet 'n Middel für di."
Lachend und unzufrieden fuhr die Frau fort. Ganz unerwartet bekommt sie
nachts unerträglichen Durst, bittet in dem Hause, an dem sie gerade vorüber-
l'ahren, um ein Glas Wasser und erfährt im Laufe des Gespräches ein alles
Hausmittel gegen ihr Leiden, das ihr die ersehnte Hilfe brachte.
Der Ruf dieses rätselhaften Menschen verbreitete sich bis in die Residenzstadt
des kleinen Großherzogtums. Offiziere zu Pferde und Damen zu Wagen
eilten nach Westerscheps, dem armen Knechte Fragen vorzulegen. \ iele Menschen
waren auch unangenehm zudringlich. Da sah Ernst Ahring seinen Zustand
als eine Strafe an, die Gott ihm gesandt. Er betete inbrünstig in seiner
Kammer: „Du helpst mi, mien leven Gott." Fortan wachte er fast immer auf,
wenn man seine Hellsehergabe benutzen wollte. Keine Frage beantwortete er
mehr. Er könne es jetzt nicht mehr. Eines Tages aber war er \erschwunden.
Man weiß nichts über sein späteres Leben und sein Ende. Daß er der Mondsüchtige
war, der durch Anrufe seines Namens vom Mastkorb eines Schiffes
tot auf das Deck stürzte, ist nur eine Vermutung.
b) Zopf flechten und Slallspuk. (S. dazu den gleichlautenden Aufsatz
des Prof. Dr. Klee, Nürnberg, im Mai-Heft unserer Zeitschrift.)
Die von Frau Anna Kufferath veröffentlichten Erinnerungen veranlaßten
Wilhelm Rainsauer aus seiner Erinnerung heraus einige sehr dankenswerte Beiträge
über das Wesen des unglücklichen, jungen Menschen in derselben Tageszeitung
zu veröffentlichen. Auf dem Hofe des Bauern war eine Taschenuhr
verloren gegangen. Der Bauer wandte sich an den mondsüchtigen Knecht mit
der Bittte, sie zu suchen. Im Nu erkletterte der Somnambule eine große Torfmiete
, warf in der Mitte Soden auf Soden heraus, gelangle in unglaublich kurzer
Zeit in die Mitte des Haufens und fand die Uhr.
Nun berichtet Wilh. Ramsauer nach der Erzählung des Oberinspektors
Harmjanz folgendes, was uns zu einem Vergleiche mit den von Professor
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