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lind weshalb alle vom Jetztzeitmenschen ausgehenden Erklärungen unbedingt
versagen müssen. So konnte Scherfei, ohne wohl noch ganz zu wissen, wie sehr
mit vollem Recht, zu dem Satze kommen, den wir oben wiedergegeben haben:
daß alles, was wir an Magie aus der Geschichte oder bei Primitiven kennen, wie
der Rest eines verlorenen Gutes erscheine.

Wir dürfen noch weitergehen und annehmen, daß sich solches Wissen und
Können auch in etwas spätere Zeilen, als die Naturverbundenheit schon durch
die Inlellektualentwicklung mehr und mehr unterdrückt wurde, durch „Eingeweihte
" noch herübergerettet hatte und noch lange, geheimgehalten vor der
Menge, sich weitervererbte und nun sich bis in späte Zeiten, allmählich seines
wirksamen Sinnes beraubt, als Dämonerikult und zauberischer Aberglaube fortsetzte
, um so mehr zum Aberglauben werdend, als der wachsende Wachververstand
dies nicht mehr zu durchschauen und anzuwenden verstand. In solcher
Weise entstanden dann Zauberkulte, Zauberbücher, und so auch die unverständlichen
Spätfassungen der kosmogonisch-mythischen Sagen, in deren Kern Wahrheiten
stecken, die uns so ganz und gar verlorengegangen sind, die aber doch
auf tiefen Einblicken in den wahren Naturzusammenhang beruhten.

So finden wir in ihnen auch nicht nur seelenwanderisch, sondern auch
kosmogonisch das Tier und die Tiergestalt in noch einer Form: als Ausdruckslose
für ein menschliches Erleben am gestirnten Himmel. Die Weiterschaf -
fungsmythen sind > oller gewaltiger Bilder von Naturkräften und Naturgescheh-
nissen, in denen tierisch dargestellte Götter miteinander ringen. Und wo
Sternenkuli und Sternenglaube auch in späteren, nicht mehr sagenhaften, sondern
vielleicht schon greifbaren Daseinsepochen der Völker bestanden, sind die
Himmelsvorgänge meistens erzählt und erlebt in Form von Tiergestalten und
tierhaften Menschendarstellungen.

Wir wissen nun, daß alle sterngläubigen, einen Sternenkult treibenden
Völker, ja vielleicht ursprünglich alle Völker auch die Ueberzeugung einer
lebendigen Beziehung zwischen den^ Ilimmelskräften, den Himmelserscheinungen
und dem Menschendasein in sich trugen, und daß ihr tägliches Leben
davon beherrscht und durchdrungen war. So ergibt sich hier von mythischer
Zeit her auch eine Beziehung zwischen Mensch und Himmelskörpern einerseits,
/wischen Tier und Himmelskörpern andererseits, und wir erkennen, daß die
große Frage des Zusammenhangs zwischen Mensch und Tier die eine, die Beziehung
zwischen Mensch, Tier und Himmelskräften die andere Perspektive
auf den ganzen lebendig erlebten kosmischen Zusammenhang alles Daseins ist.
Darin gründet aber auch die Metaphysik der Astrologie, die uns gleichfalls nur
aus einem ganz spätzeitlichen Wissenszustand geschichtlich bekannt ist und
darum, ebenso wie alle sonstige Magie, nichts mehr von jener uralten Ursprünglichkeit
haben konnte, die in der vorweltlichen Nalursichtigkeit des Menschenwesens
wurzelte.

Wir haben nun einen großen Gedankenzusammenhang zwischen Menschenseele
und Natur erkannt und damit das Tor zur tiefsten Vergangenheit um ein
weniges weiter auseinandergebracht. Wir sind uns bewußt geworden, daß hinter
allem ein großes naturhaftes Einheitserlebnis, das wir allmählich verflachen
sahen, aber ganz gewiß kein intellektuelles Wissen ursprünglich liegen muß.
Ja, in dem Grade, als wir ein intellektuelles Fabeln und damit ein Verschwinden
des Religiös-Mythischen in diesem Lebens- und Erlebensgeheimnis finden,
um so flacher und nichtssagender, um so allegorischer und um so „geistreicher"

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