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98 Zeitschrift für Parapsychologie. 2. Heft. (Februar 1927.)
wird das Sagen darüber. Das zeigt uns, daß mit Zunahme des Intellektes, der
schließlich sich zu Wissenschaften und wissenschaftlichen Philosophien erdichtet
, eben gerade das verloren geht, was inneres Erleben war und durch
inneres Erleben unmittelbar erfaßt wurde. Das natursichtige Wissen ist verdrängt
vom intellektuellen Wissen; das innere Sehen vom äußeren, und die
innere lebendige Einheit, die der „Urmensch" erfühlte und erschaute, ist abgelöst
von der „Feststellung" filmhafter Stadien.
Es ist aus alledem auch leicht ersichtlich, warum wir heute nicht mehr
richtig zaubern können, und wenn es in geschichtlichen Zeiten geschah, weshalb
es da nicht mehr unbedingt naturgemäß war, sondern seelische Anstrengungen
erforderte, die etwas Ungesundes hatten, weil sie die Hineinsteigerung in einen
Zustand bedeuteten, der für uns nicht mehr der gegebene ist.
In der äußeren Wirkung mag das, was wir mit der technischen Beherrschung
der Naturkräfte >ollbringen, gewaltiger und in manchem auch der
Wirkung des echten Zauberns gleich oder ähnlich sein; aber es ist
ein Unterschied, wie wir der Natur gegenüberstehen, ein Unterschied
des körperhaften und seelischen Gesamtzustandes und ein Unterschied
in der Anwendung der geistigseelischen Kräfte. Freilich, wenn wir einem
Unkultivierten etwa die Wirkung eines Schusses auf ein paar Kilometer Entfernung
oder ein fahrendes Luftschiff, das unserer Lenkung gehorcht, oder —
ein von Schopenhauer in anderem Zusammenhang vorgebrachtes Beispiel -
den aus einer warmen Champagnerflasche endlos quellenden Schaum zeigen»
dann glaubt er an echte Zauberei. Aber diese unsere „Intellektualzauberei'*
unterscheidet sich \on der altmagischen natursichtigen, mit der man vielleicht
ebenso auf die Ferne wirkte, ebenso Massen in den Luftraum hob, durch jene
ganz andere Verwobenheit des Menschenwesens mit der Natur, womit diese selbst
zur Aktivität von innen her gebracht und so geformt und gelenkt wurde.
Man könnte zum Schluß noch fragen, in welcher anatomisch begründbaren
Richtung allenfalls die nächste Weiterentwicklung des Menschen liege?
Als nächstes Stadium ist naturgemäß eine noch stärkere Entfaltung des
Großhirns und damit der intellektuellen Eigenschaften zu erwarten; denn jenes
ist deutlich einer nach vorne gerichteten Aufwölbung und Vergrößerung fähig.
Der Schädel würde dann mehr nach \orwärts gewölbt, das Gesicht noch mehr
ypn ihm überschattet werden. Im selben Maß als dies geschähe, könnte das
Großhirn nach rückwärts Raum lassen, wodurch die alten Organe und Fähigkeiten
der Ursinnessphäre wieder mehr hervorzutreten vermöchten. Sobald
dies begänne, würden damit auch die alten natursichtigen Fähigkeiten und
Betätigungen über ihren derzeitigen Schlummer zustand hinaus stärker werden
und nun zu einem Einklang mit den Funktionen der Großhirnsphäre, dem
Intellekt, gelangen. Wir würden also bewußte magische Fähigkeilen damil gewinnen
, die nun nicht mehr wie beim ursprünglich nur natursichtigen Menschen
primitiv somnambul, nicht mehr nur organisch reaktionshaft wirken, sondern
da sie durch die Schule des Intellektes gingen und anatomisch \on seinem
Zentrum umschlossen wären, auch mit Aeußcrungen hoher Bewußlheit und
Planmäßigkeit verbunden wären. Es müßte damit jene geahnte Entwicklungsepoche
eingetreten sein, wo Naturerkenntnis nicht mehr wie heute ein intellektuelles
Problem bliebe und sich in lebensleeren Abstraktionen, in einem äußerlichen
Zählen, Messen, Wiegen, Hören, Tasten erschöpfte und bloß technische
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